von Jules
Hey ihr unglaublich wundervollen Menschen,
hier ein kleiner Liebesbrief meinerseits. An einem Tag, an dem ich einfach nur schreien, weinen, im Bett liegen bleiben, und randalieren wollte – und das am Besten alles gleichzeitig – kommt euer neues Album raus. An einem Tag also, an dem ich überfordert bin mit im Zimmer feststecken, eine Diskussion über Sexismus mit einem Mann hatte, dessen einzige Reaktion darauf war „das hast du falsch verstanden“, an dem ich das Bildungssystem in Deutschland und diesen unfassbaren und unverständlichen Druck der mit dieser Leistungsgesellschaft manchmal einhergeht, am liebsten in den Müll schmeißen wollte, an diesem Tag also hör ich euer Album rauf und runter und kann mich gar nicht entscheiden welches Lied mir am meisten aus der Seele spricht. „So laut so leer“ würde ich am liebsten dem möglichen nächsten Kanzler Friedrich Merz ins Gesicht schreien, der letztens bei Anne Will in der Runde saß und ausschließlich Schwachsinn verzapft hat. Zu sagen, man würde Klimaschutz betreiben, ist übrigens nicht dasselbe, wie es tatsächlich zu tun. Und ist viel gefährlicher, als ehrlich zuzugeben, dass man auf voller Strecke versagt und das Leben aller weiteren Generationen - ob Mensch, Tier oder Pflanze - existenziell gefährdet.
Es fällt mir gleichzeitig schwer, nicht aufzugeben und aufzuhören über die menschenunwürdigste aller Situationen an den Außengrenzen Europas hinzuweisen, jedes Gespräch darüber fühlt sich an wie „die letzte Ballade“ von mir. Woher soll man die Kraft nehmen, immer wieder darüber zu reden und vielleicht sogar zu „diskutieren“, obwohl es meiner Meinung nach kein einziges humanes Argument gegen Seenotrettung gibt?
Die Welt geht unter, wir stecken mittendrin. Es gab bisher wohl kaum eine Generation die solche Zukunftsängste hatte, wie die Millennials und die Gen Z. Das wird in „Zukunft“ so spürbar vertont, dass ich Gänsehaut bekomm. Damit soll nicht die Vergangenheit glorifiziert werden, in der es nicht mal möglich gewesen wäre, sich als Feministin zu betiteln und nicht automatisch Abscheu zu ernten, und auch Henning May hätte nicht offen über toxic masculinity reden können (Podcast mit Paulina Czienskowski), ohne von allen – fälschlicherweise – als schwach dargestellt zu werden.
Das neue Album verdeutlicht für mich, dass wir – als Gesellschaft – weder in der Lage dazu sind, angemessen die Vergangenheit aufzuarbeiten, an Fehlern hängen bleiben anstatt aus ihnen zu lernen, in der Gegenwart sowieso grad alles falsch machen und damit unweigerlich mit einer unfassbaren Geschwindigkeit auf eine Zukunft zu rasen, deren Welt ich mir nicht mal vorstellen will. Mit Menschen, die denken, dass „der freie Markt schon alles regle“, keine Künstler*innen mehr vorhanden sind, weil diese ja wohl nicht systemrelevant seien und Menschen Deutschland regieren, die wohl der feuchte Traum von Typen wie Udo Bönstrup sind. Tja, es wird wohl „nie wieder so, wie es mal war“.
Aber bei all den schweren, herzzerreißenden, aufmürbenden Themen die in diesem Album behandelt werden, für die es auch keine Lösung gibt außer einen systematischen Wandel von Politik und Wirtschaft (und wir wissen ja wie lang sowas dauern kann), eine positive Nachricht gibt es dann doch: Wir kämpfen nicht allein. Es gibt so viele außergewöhnliche, kreative, faszinierende Menschen, die für die gleichen Ideale einstehen. Und gemeinsam können wir das Ruder umreißen. Und darauf freu ich mich doch tatsächlich.
PS: Ich habe diesen Text geschrieben, bevor es Kritiken / Erklärungen seitens AMK gab, wie Zeile XY zu interpretieren sei. Alles hier ist meine persönliche Meinung und spiegelt nicht zwangsläufig Meinungen der Annenmaykantereits wider