BODY AND ME/EDOBITTEWAS

Endobittewas?


von Stella | 01.10.20

Als ich das erste Mal meine Tage bekommen habe, war ich zwölf. Nichts besonderes. Passiert jedem jungen Mädchen früher oder später. Fast Forward zum Sommer des gleichen Jahres: Ich bekomme zum dritten Mal meine Tage und habe Durchfall, muss mich übergeben, habe  unfassbare Bauchschmerzen und kippe um. Ich denke schon, mich hat eine Sommergrippe weggefegt. Dann kommt meine Mutter und erklärt, dass das vermutlich
mit meiner Periode zusammenhängt, sie kennt das noch von sich selbst. Und seitdem geht das alle drei bis vier Wochen so..

SCHMER

ZEN

Das, was das auslöst, nennt sich Endometriose. Ca. 10%-15% aller Frauen haben diese Krankheit. Endometriose (oder einfach Endo) ist eine chronische Krankheit, bei der sich Gewebe ähnlich der Gebärmutterschleimhaut, die sich bei jeder gesunden Frau zyklisch aufbaut und dann abgeblutet wird, an anderen Orten im Körper ansiedelt (Eileiter, Eierstöcke, Darm, Blase, selten auch Lunge oder Gehirn). Das charakteristischste Symptom sind die heftigen Regelschmerzen. Das Tückische ist aber, dass die Symptome ganz unterschiedlich sein können. Ich persönlich kann mich nicht aufrichten, wenn ich meine Tage bekomme und jedes Mal denke ich mir, dass wenn mir jetzt jemand bei lebendigem Leibe die Gedärme rausreißen würde, es sich vermutlich auch nicht anders anfühlen würde.
Teilweise setzen die Schmerzen auch schon ein paar Tage vorher ein, ich leide nämlich zusätzlich unter heftigem PMS und außerdem schwellen meine Brüste hormonbedingt dermaßen an, dass ich ein bis zwei Wochen im Monat nicht auf dem Bauch schlafen kann. Gynäkologische Untersuchungen tun saumäßig weh und schmerzfreier Sex ist auch Glückssache. Diverse Endo-Patientinnen schildern auch, dass die Krämpfe sich auf dem gleichen Schmerzniveau wie die Wehen bei der Geburt ihrer Kinder befinden. Bei mir spielt dazu jedes Mal mein Darm verrückt. Ich erspare euch jetzt die Details, sagen wir nur soviel: Es ist unberechenbar und ich kriege Panik, wenn ich während meiner Periode nicht in Laufweite zur nächsten Toilette bin. Und meistens ist mir auch schlecht. An dieser
Stelle eine Entschuldigung an die Münchner Straßenreinigungskräfte, die Anzahl an Mülleimern oder Straßenecken, in die ich vor lauter Schmerzen schon gespuckt habe, ist recht beeindruckend.
Außerdem bin ich mit einem heftigen Reizdarm gesegnet, der es mir unmöglich macht, unbeschwert einen Abend mit Freunden zu verbringen. „Esse ich Salat und kann in einer Stunde noch klar denken oder gönne ich mir die Pizza und nehme dafür den Blähbauch mit den unfassbaren Bauchschmerzen?“ Standardfrage beim Weggehen. Gleiches Spiel mit Alkohol. Wenn Bier in Aussicht steht, darf ich auf keinen Fall eine Hose mit engem Bund anziehen. Mein Bauch bläht sich dermaßen auf, dass ich gut auch im fünften oder sechsten Monat schwanger sein könnte. Nur dass ich das Gas nicht einfach loswerden kann. Wer pupst denn schon gerne in einer gemütlichen Runde in einer Bar munter vor sich hin und verpestet allen die Luft? Dass das den Spaß massiv einschränkt, ist klar.
Was für viele außerdem den Spaß einschränkt, sind oft extrem heftige Blutungen.
Periodenbedingte Anämie ist bei Endometriose keine Seltenheit, genauso wie ein Blutverlust weit über 100ml. Aber das ist natürlich nicht bei allen so. Manche Frauen haben gar keine Symptome, andere haben nur am ersten Tag ihrer Periode Schmerzen, wieder andere leiden so sehr darunter, dass es sie berufsunfähig macht.

UND WAS TUT MAN JETZT DAGEGEN?

Endometriose ist unheilbar. Nur die Symptome können behandelt werden. Die
Standardtherapie ist hierfür die Pille. Meist in Kombination mit einer Bauchspiegelung (nur so kann sie nämlich zu 100% diagnostiziert werden), bei der die sogenannten Herde (also die Schleimhautabsiedelungen) entfernt werden (die sich dann aber meist wieder aufbauen).
Auf dem Ultraschall lassen sich nur vereinzelte Symptome sehen. Bei mir zum Beispiel eine nach hinten gelagerte und außerdem verdickte Gebärmutter (recht typisch bei der Endo und die Verdickung ist ein Hinweis auf Adenomyose, also Herde in der Gebärmutterwand). In starken Fällen können auch sogenannte Schokoladenzysten sichtbar sein (das sind Ansammlungen von alter Schleimhaut, die dann dunkel auf dem Ultraschall erscheinen) oder Verwachsungen bei der Tastuntersuchung auffallen. So viele Symptome die Endometriose hat, so unterschiedlich können sie auch ausgeprägt sein. Und gleichzeitig müssen einige dieser Symptome nicht zwingend heißen, dass eine Endo vorliegt.
Aber zurück zur Therapie. Wie gesagt, meist wird die Pille verschrieben, da diese den Eisprung und den Aufbau der Schleimhaut unterdrückt (so verhütet sie ja auch) und das dann eben auch in vielen Fällen mit den Herden geschieht. Es gibt aber keine Garantie, dass dadurch die Symptome gelindert werden (mir zum Beispiel hilft sie leider nicht). Und man sollte sich auch bewusst sein, dass die Pille Nebenwirkungen haben kann. Ich bin in der Zeit, in der ich die Pille genommen habe dreimal aus Thromboseangst beim Arzt bzw. in der Notaufnahme gelandet. Daher informiert euch vorher und sprecht mit eurem behandelnden Arzt oder eurer behandelnden Ärztin. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Schmerzen zu bekämpfen, also nicht aufgeben, falls etwas nicht klappt.
Hier ein paar Beispiele: Osteopathie, CBD, Ernährungsberatung und -pläne, Physiotherapie, Tees oder andere Kräuterpräparate, Wärmepflaster etc.

IST JA GANZ SCHÖN SCHEISSE, ODER?

Kurz gesagt: Ja. Aber Endometriose ist nicht lebensbedrohlich oder -verkürzend. Es kann zwar ein erhöhtes Risiko für Tumore in der Gebärmutterregion bestehen, muss aber nicht.
Eine weitere mögliche Folge ist Unfruchtbarkeit, gerade wenn die Herde an den Eierstöcken, am Eileiter oder in der Gebärmutterwand sitzen. Einige Endopatientinnen können aber mit Hormontherapie oder vorherigem Sanieren des Eileiters trotzdem schwanger werden. Was neben den Schmerzen echt scheiße ist, ist die Stigmatisierung und das Abtun der Symptome. Es wird oft nicht verstanden, dass chronische Schmerzen unberechenbar und vor allem echt sind. Wenn man einen Tag noch superfit in der Stadt rumläuft, kann man am nächsten Tag trotzdem unfähig sein, sich zu bewegen. Das macht mich nicht zur Simulantin.
Und das wird oft nicht verstanden. Genauso wie die Symptome oft als normal bezeichnet werden; „Regelschmerzen, da musst du halt durch.“ Wenn die Schmerzen so stark sind, dass ihr euren Tag nicht mehr bestreiten könnt oder sie für euch einfach nicht mehr auszuhalten sind, dann ist das NICHT NORMAL und vor allem sind das keine Regelschmerzen! Nicht einfach belabern lassen, Ursache herausfinden. Nur so könnt ihr angemessen dagegen vorgehen.

ICH GLAUBE, ICH LEIDE AN ENDOMETRIOSIE. HILFE?

Falls sich hier jetzt jemand wiedererkennt, dann muss das noch nicht heißen, dass ihr auch Endo-Patient*in seid. Hä, Gender-Sternchen? Endo ist doch eine Frauenkrankheit?
Tatsächlich können auch Trans-Männer und intersexuelle Personen betroffen sein, in äußerst seltenen Fällen sogar Cis-Männer. Lasst das Ganze wie gesagt abklären.
Für die Schmerzen habe ich hier noch ein paar persönliche Tipps für euch, die mir das Endoleben etwas erleichtern: Kauft euch einen Satz „Periodenunterwäsche“. Also am besten nahtfreie, weiche, gut sitzende Unterhosen, die nirgendwo drücken oder einschneiden (Stichwort „Oma-Unterhosen“). Das macht das Ganze schon mal etwas erträglicher. Wärme kann hilfreich sein (aber aufpassen, Endo ist eine entzündliche Krankheit, kann es bei manchen also auch schlimmer machen!), also besorgt euch ggf. eine Wärmflasche, ein Kirschkernkissen oder Wärmepflaster (die sind ganz praktisch für unterwegs). Nicht zu schwer essen (sonst kann es Darmalarm geben) und aufpassen mit Milchprodukten, sehr sauren oder sehr scharfen Sachen.
Ansonsten: Nicht unterkriegen lassen. Chronische Schmerzen sind echt übel, aber man muss trotzdem irgendwie versuchen, sein Leben selbst zu beherrschen und sich nicht beherrschen zu lassen. Die Endo ist ein Riesenarschloch. Aber auch Riesenarschlöchern muss man versuchen, die Stirn zu bieten.
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