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Petra | 20.04.2023
Zwischen (falscher) Eigenverantwortung und Weltuntergangsstimmung lebt es sich in puncto Nachhaltigkeit manchmal doch recht ungeniert. Zumal der persönliche Handlungsspielraum denkbar minimal ist. Wieso zum Geier bekomme ich dann mein schlechtes Gewissen nicht in den Griff? Die Gewissheit des Scheiterns jedenfalls haftet nicht nur einer desaströsen Politik an, sondern auch meinem alltäglichen Handeln.
Ich heiße nicht Volker Wissing und ich habe wenig in der Hand. Mir ist klar, dass die Eigenverantwortlichkeit gerade pervertiert wird als eine billige Masche, um politische Verantwortung auf diejenigen abzuwälzen, die durch ihr Verhalten kaum etwas zur Begrenzung der globalen Erwärmung beitragen können. Weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen, weil sie gar nicht viermal im Jahr in den Urlaub fliegen können und selbst bei täglichem Gammelfleischkonsum weniger umweltschädlich leben als die feine Hautevolee mit ihrem CO2-geschwängerten Luxus-Lifestyle.
Betrachte ich mein Jahreseinkommen, habe ich gewissenstechnisch alle Trümpfe in der Hand. Ich dürfte:
Ich könnte Party machen und „Hurra, die Welt geht unter“ mitgrölen, weil ich ohnehin machtlos bin. Aber seltsamerweise bringe ich das nicht fertig. Vielleicht, weil ich aus einer ökologisch geprägten Familie komme, als Kind alle Natursendungen der dritten Programme rauf- und runtergeschaut habe, mir der Regenwald und seine Orang-Utans schon damals leidtaten. Weil ich mit meinem Papa einen Teich anlegen durfte, inklusive Wasserfrösche, die ich dann mit Mehlwürmern dickgefüttert habe. An dieser Stelle muss ich kurz schwärmen: Es gibt kaum etwas Goldigeres als einen zutraulich gewordenen Frosch, der einem aus der Hand frisst und sich dabei über die zarte, perfekt hydrierte Haut streicheln lässt. a
Ich habe auch – das ist echt wahr – früher jeden Teebeutel getrennt. Dieses ungesunde Mindset und den damit verbundenen Öko-Druck kann ich bis heute wider besseres Wissen nicht ablegen. Natürlich würde ich mich am liebsten in buddhistischem Gleichmut üben, dass eh alles im Fluss ist bzw. den Bach runtergeht. Würde auch nach Marokko fliegen, alles noch schnell sehen wollen, bevor ich zu alt oder die Welt zu kaputt ist. Stattdessen schaffe ich es einfach nicht, auf jegliches Bemühen zu scheißen.
Ich wohne zwar klein (#dasistkeinzugeständnisansklima, #dasistmünchen). Ich fliege seit Jahren nicht. Fahre Fahrrad, kaufe möglichst wenig Fast Fashion, kein Fleisch. Aber ein ökologisch korrektes Leben führe ich deshalb noch lange nicht. Mein Problem – wie das der meisten Kinder der Konsumkultur – ist der alltägliche Verzicht: Auf To-Go-Mahlzeiten, auf neue Klamotten (Fairfashion ist keine Ausrede, nur gar kein Konsum ist ökologisch!), Design-Mumpitz. Was mir nach einem halben Leben längst klar ist: Ich liebe die schönen Dinge. Ich liebe Mode! Ich kaufe mit schlechtem Gewissen und ärgere mich darüber, dass ich nicht konsequent inkonsequent sein, also ohne schlechtes Gewissen auf den Putz hauen kann. Oder stattdessen konsequent nachhaltig leben. Denn auch das schlechteste Gewissen hilft niemandem, nicht den Meeren, nicht dem Regenwald, künftigen Generationen oder dem Klima. Natürlich geht nur das eine oder das andere, ein bisschen korrekt leben, ein bisschen nachhaltiger konsumieren, das reicht halt nicht mehr. Wo wir wieder beim System wären. Immerhin gehe ich demonstrieren. Bringt aber leider auch nichts, und da wären wir wieder bei Volker Wissing. Bei ihm und überhaupt der FDP frage ich mich regelmäßig, wie man nicht mal die 5-Prozent-Hürde knacken, aber die Klimapolitik eines ganzen Landes blockieren kann. Andererseits wäre ich auch gern mal so gewissenlos, nur für einen verdammten Tag!