filmpolitik

Film und Politik - wir sind, was wir sehen oder wir sehen, was wir sind

Laura | 14.10.2021

Politik in Filmen, das klingt erst einmal trocken oder nach Dokus aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Thema ist jedoch eigentlich noch simpler, denn bei genauerer Betrachtung sind alle Filme politisch. Filme sind politisch, wenn ihre Schöpfer:innen eine politische Absicht verfolgen, eine Analyse oder gar Kritik äußern. Häufig geht es auch um die Darstellung von Macht; wie werden die Mächtigen gezeigt und wie die Ohnmächtigen.


Untersucht man Politik in Filmen, stellen sich dabei mehrere Fragen. In diesem Text beschreibe ich euch grundlegende Mechanismen und Betrachtungsweisen, die Politik im Film herauskristallisieren. Dabei geht es weniger um Vollständigkeit, als vielmehr um einen kurzen Abriss, der erklärt, wie wir Film und Politik vereinen und erkennen können. Denn was bedeutet das Medium Film überhaupt, möchte man die Politik darin betrachten?

Grundsätzlich lässt sich folgendes erkennen: Populäre Medien wie der Film spiegeln nur einen winzigen Bruchteil davon wider, was wir als Politik erkennen. Dabei lässt sich zumeist leicht erkennen, was davon im gegebenen Kontext als “gut” oder eben “schlecht” eingeordnet wird. Tatsächlich aber ist vor allem der Part, der uns als neutral oder unpolitisch erscheint durchtränkt von politischen Komplexitäten und Zusammenhängen. Gerade diese Teile eines Films betrachten wir in der Filmwissenschaften, da sie uns einen Blick darauf werfen lassen, wie Politik und Gesellschaft reflektiert werden. Vermeintliche Blockbuster und beliebte Serien (wie Star Trek und James Bond) greifen internationale Politik und zwischenmenschliche Verhältnisse auf, ohne sie konkret zu benennen. Eines meiner persönlich liebsten Beispiele für diese Zusammenhänge ist die Indiana-Jones-Reihe, bei der zu Beginn die Nazis der Feind waren und im letzten Film dann die Russen. Die Eingliederung in Gut und Böse spiegelt dabei deutlich zuerst ein globales beliebtes Feindbild wider und greift danach das zeitgenössische politische Verhältnis zwischen - in diesem Fall - zweier Staaten auf.


Spannend zu betrachten ist auch, wie Filme soziale Phänomene aufgreifen und diese verarbeiten. Sie werden zuerst zu einem Spiegelbild der Gesellschaft und erzeugen dadurch neue Gedanken, Möglichkeiten und Weltsichten. Dadurch, dass wir als das Publikum Filme konsumieren, werden wir durch das Gesehene geprägt. Sozusagen eine Reflektion der Reflektion.
Doch im Gegensatz zu uns können sich Filme zwischen Möglichem und Realem bewegen, ihre Wirkung beruht somit auf dem Punkt zwischen Fiktion und Abbild der Welt.


Gerade der letzte Punkt erlaubt dem Medium Film auch mit seinen Zuschauer:innen zu spielen. Fiktion erlaubt nicht nur Schönes und Utopisches, sondern auch Ängste. In diesem Zusammenhang sind nicht nur Horrorfilme gemeint, sondern der filmische Umgang mit bspw. sozialer Unsicherheit und geopolitischer Furcht. In den Jahren 2010-2015 waren vor allem Zombiefilme populär,
The Walking Dead gibt immer noch nicht auf. Setzen sich bestimmte Formen von (Horror-) Filmen über einen gewissen Zeitraum durch, lohnt es sich, weltpolitische und soziale Umstände zu betrachten. Die Angst vor Zombies kann einerseits als Kritik am kapitalistischen System und den damit verbundenen ökonomischen Krisen verstanden werden; andererseits kann das Bedürfnis ihrer Aufarbeitung in gesellschaftspolitischen Herausforderungen und Problemempfindungen fußen, die ihre Ursache nicht zwangsläufig in ökonomischen Angelegenheiten findet. Zugleich wird in einer untergegangenen Gesellschaft auch thematisiert, wie sich die Überlebenden neu formieren. Der Film geht der Frage nach, wie eine Gesellschaft neu entstehen kann und unter welchen Voraussetzungen. Da bleibt die Hoffnung, dass es nicht so läuft wie in The Walking Dead.


Wie bereits im vorangegangenen Text erwähnt, spiegeln Filme nicht nur gesellschaftliche Phänomene wider, sondern äußern auch Kritik am politischen System. Die Formen davon sind genauso vielfältig wie die Themen, die dabei inszeniert werden. Es lässt sich immer wieder im aktuellen Kinoprogramm beobachten, dass das Interesse an realen, politischen (Groß-) Ereignissen nicht abnimmt. Dafür sprechen Serien wie
The Crown oder auch House of Cards, die die Stoffe dieser Events für verschwörungslastige Serien verwenden. Dramaserien dieser Art reproduzieren die Ambivalenz unserer Gesellschaft. Denn auf der einen Seite sind die Figuren der Identifikationspunkt der Zuschauenden, sprich: der Grund, warum sie mit den Figuren mitfühlen können, aber auf der anderen Seite sind die Protagonist:innen auch zumeist gegen das etablierte System gerichtete Figuren, die sich auf gesellschaftlichen (moralischen) Abwegen befinden (können), womit eine Kritik am System und seinen Schwächen geäußert wird.

Eine weitere Form der Kritik ist das Aufgreifen von Tabu-Themen. Nun könnte man zwar meinen, dass es kaum mehr Gegenstände mehr gibt, die man nicht besprechen darf, kann oder möchte. Doch ich sage euch, Lars von Trier straft uns Lügen. Ein gutes Beispiel ist der Film Brokeback Mountain aus dem Jahr 2005, in dem es um einen Liebesgeschichte zwischen zwei schwulen Cowboys geht. Als der Inhalt des Films bekannt wurde, sah die erzkonservative USA das als Affront und Kinos, die den Film zeigen wollten, erhielten teilweise Drohungen, dass man sie anzünden würde. Die Kritik im Film ist deutlich und zugleich zeigt er, wie Film funktioniert. Als realitätsschaffendes und -abbildendes Medium trug er dazu bei, die Wahrnehmung von Homosexualität zu normalisieren.

Nur sprechen wir jetzt von Themen, die global greifen. Nicht umsonst sind beispielsweise queere Figuren in Disney-Filmen eine Seltenheit; man möchte schließlich das asiatische Publikum nicht verlieren. Tabu-Themen sind in unserer kapitalistischen Welt auch immer eine Geldsache. Dennoch tragen Filme zur Möglichkeit bei, eine Gesellschaft zu verändern.


Neben subtilen oder auch nicht so subtilen Botschaften wie die zuvor erwähnten können Filme auch Bildungsarbeit leisten. Damit kommen wir zum letzten Punkt, der auch zugleich am offensichtlichsten auf der Hand liegt.
Dokumentationen und andere Filmerzeugnisse haben meist eine direkten Bildungsauftrag und können bspw. für didaktische Zwecke genutzt werden. Aber auch in populären Serien und Filmen werden häufig literarische Verweise genutzt, die gesellschaftliche und/oder politische Querverweise beschreiben und die nur dann verständlich werden, wenn uns der Kontext bekannt ist. Das wohl bekannteste Beispiel für die exzessive Verwendung von medienfremder Literatur sind Die Simpsons. Auf einer ersten Betrachtungsweise sind diese unterhaltsam, ihre Komik funktioniert stets nach dem gleichen Konzept. Erst durch Analyse und Interpretation werden politische Querverweise sichtbar und lassen sich dadurch gesellschaftlich und historisch einordnen. Gerade dadurch, dass Filme politische Botschaften beinhalten, ist das grundlegende Wissen diese zu entdecken, essentiell.


Aber wofür brauchen wir dieses Wissen? Mir ist bewusst, dass es sich hierbei eher um eine trockene Herangehensweise an ein spannendes Thema handelt, doch bin ich der Meinung, dass wir wissen müssen, was wir sehen. Weil wir sind, was wir sehen.

Mittlerweile befinden wir uns in einer “Mediendemokratie”. Das klingt erst einmal wild. Doch gemeint ist damit, dass Medien eine große Rolle bei der Vermittlung und Verbreitung politischer Vorgänge und Ergebnisse spielen. Vor allem Film- und Printmedien beeinflussen das politische Geschehen durch die Inszenierung ihrer Akteur:innen und ihrer Kontexte. Sehr gut beobachten konnten wir dies vor einigen Wochen, als der Wahlkampf in Deutschland in voller Blüte stand und sich Hinz und Kunz zu allem und jedem geäußert hat. Der Film hat im Laufe der Zeit bestimmte Darstellungsformen von sich entwickelt, wie Politik in der Öffentlichkeit beschrieben wird. Wir konsumieren tagtäglich Nachrichten, fiktive Erzählungen und Dokumentationen, die von Politik durchtränkt sind. Dieser Text soll eine Hilfestellung dafür sein, zu erkennen, wie Politik im Film funktioniert und was wir für uns daraus mitnehmen können.


Quellen:

Bühler, Philipp: “In Szene gesetzt. Politik und Film.” Kinofenster.de, Bundeszentrale für politische Bildung, 13.07.2017. https://www.kinofenster.de/themen-dossiers/alle-themendossiers/dossier-film-politik-wahlkampf/dossier-film-politik-wahlkampf-einfuehrung/.

Hamenstädt, Ulrich: Politik und Film. Ein Überblick. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2016.

Seeßlen, Georg: “Der aktuelle politische Film. Skizzen zum prekären Leben.” epd-film, 28.12.2016. https://www.epd-film.de/themen/der-aktuelle-politische-film.

Share by: