interview simone bauer

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„Pride on Tour“ – Simone Bauer im Interview

Petra | 28.05.24

Braucht’s heutzutage einen queeren Reiseführer? Und wenn ja, warum? Simone Bauer, Journalistin (u. a. Missy Magazine), selbst queer und gut rumgekommen in der queeren Szene Europas, hat einen geschrieben. In „Pride on Tour – 35 queere Reiseziele in Europa“ beschreibt sie die besten Safe Spaces für Queers unweit der Sightseeing-Zonen und was kulturell wo los ist in der queeren Szene Europas. Dazu haben wir ein paar Fragen.

Liebe Simone, wie kommt man auf die Idee, einen queeren Reiseführer zu schreiben?


Genau genommen habe ich nicht den ersten geschrieben - es gab bereits einen in den Goldenen Zwanzigern für queere Tourist*innen, die Berlin besuchen. Was auch nur logisch war, die queere Szene war damals groß in Berlin, es gab ein reiches Veranstaltungsangebot und je nach kulturellem Interesse der queeren Besucher*innen wollte man einen attraktiven Guide anbieten. Außerdem gibt es auch seit vielen Jahren den „Spartacus Gay Travel Index“, der weltweit einen Überblick gibt, wo sich Queere Menschen wie sicher bewegen können. Ich wollte aber mit einem Fokus auf Europa ein Buch gestalten, das so inklusiv wie möglich ist - mit Bonusseiten und Interviews, die auch beispielsweise auf Kunstinitiativen eingehen. 


Berühmte Persönlichkeiten und Ikonen der queeren Szene kommen in deinem Reiseführer zu Wort. Wie hast du Olivia Jones, Jurassica Parka und Vicky Voyage als Stimmen für dein Buch gewinnen können?


Vicky Voyage habe ich bei der Kampagne #queersindwir unterstützt (Anmerkung der Redaktion: Die Kampagne erweckte einiges an Aufsehen im Zuge des Aufruhrs um die Draglesung in München) und hatte somit schon den Kontakt zu ihr. Und Olivia Jones habe ich über ihr Management angeschrieben, sie war sofort bereit, mitzuwirken, und Jurassica ebenfalls. Das sind richtige Ikonen und ich bin sehr glücklich und stolz darauf, dass sie in meinem Reiseführer das Wort ergreifen.


Was unterscheidet deinen Reiseführer von den typischen Tourist Guides?


Ich beschreibe die typischen Sehenswürdigkeiten nur am Rande, dafür erfahren die Leser*innen viel über die lokale queere Szene, die besten Institutionen, queer geführte Bars, Cafés und Restaurants. Und natürlich auch, wo die sicheren Orte sind, die Safe Spaces, an denen sich queere Menschen an einem fremden Ort sicher fühlen können in ihrer Sexualität und ihrem Sein. Interessant ist ja, dass die meisten queeren Zentren unweit der großen Sehenswürdigkeiten sind, oft nur eine Nebenstraße entfernt vom Touri-Hotspot.


Warum ist das so?


Das ist historisch bedingt, die queere Community siedelte sich häufig in den „schlechten Vierteln“ an, den Rotlichtmilieus, umgeben von Bordellen und eher zwielichtigen Ecken. Dort wurden sie von der Gesellschaft in Ruhe gelassen, „übersehen“ oder geduldet. Heute bestehen die Viertel fort und haben häufig eine sehr engagierte Community, die coole Locations unterhält und mit tollen Events und Aktionen aufwartet.


Nochmal zu den Safe Spaces: Gibst du uns dazu ein paar Insights, was man darunter versteht?


Vor allem schlicht und einfach, dass man sich dort als queere Person ungezwungen bewegen kann, sich vielleicht in der Öffentlichkeit küssen oder Händchen halten kann, ohne negative Reaktionen oder gar Repressionen befürchten zu müssen. Das ist natürlich einmal vom Land abhängig, aber auch von der Umgebung vor Ort. Prag beispielsweise ist im Vergleich zu anderen osteuropäischen Städten relativ sicher für queere Personen, dort gibt es sogar queere Institutionen im Stadtkern. Dennoch würde ich dort nicht auf offener Straße Händchen halten oder Küsse austauschen. Der Punkt ist, dass mein Reiseführer zeigt, wo dies möglich ist und wo man seinen Aufenthalt angstfrei genießen kann.


Welche Reiseziele sind in deinem Reiseführer vertreten? Bei 225 Seiten musstest du ja eine Auswahl treffen.


Das sind zum Einen typische Urlaubsziele der Deutschen: Italien, Spanien, Frankreich _- und zum Anderen wollte ich bewusst auch Städte mit kleinerer Szene featuren _- etwas für jeden Geschmack. Die lesende Person soll auf einen Blick wissen, wo sie sicher eine gute Zeit verbringen kann. Wo man gut feiern, Kaffee trinken, Kunst genießen oder Bücher kaufen und zeitgleich einen Safe Space genießen kann.


Du beschreibst diese Orte in deinem Buch sehr lebhaft, teilst deine persönlichenErfahrungen und auch mal eine Anekdote. Warst du selbst überall vor Ort?


Ich war nicht überall, aber schon an vielen Orten, habe die lokalen Institutionen besucht, die einschlägigen Locations und Kneipen getestet. Dort wo ich selbst nicht war, habe ich Insider kontaktiert, etwa queere Influencer*innen oder ich habe über Kontakte recherchiert. Die queere Szene ist in Europa wunderbar vernetzt und sehr hilfsbereit. Es ist mir auch wichtig, dass mein Reiseführer diese Vielfalt und das Engagement vieler toller Menschen zeigt und supportet. In Italien zum Beispiel finde ich, sollte man unbedingt auch zum CSD gehen, um der derzeitigen Politik zu signalisieren, dass man die Aktivist*innen unterstützt.


Ist dein Reiseführer innerhalb der queeren Community speziell für FLINTA oder etwa auch für schwule Männer interessant?


Auf jeden Fall für alle. Mir war wichtig, einen inklusiven Reiseführer zu schreiben, der niemanden ausschließt. Mein Buch ist für alle, nicht nur für Schwule und Lesben, sondern auch unter anderem für non-binäre Personen, trans Personen und POC. Vor allem soll mein Buch auch Menschen eine Hilfe sein, die allein reisen, etwa, weil sie ein Auslandssemester machen oder als Expats beruflich in das Land und die Stadt reisen und dort Anschluss suchen. Auch auf das Thema Barrierefreiheit gehe ich ein, soweit es möglich ist.


Noch eine finanzielle Frage: Gibt es im Buch Café- und Restaurant-Tipps für verschiedene Budgets?


Ja, ich habe auf ein ausgewogenes Verhältnis an Tipps für jeden Geldbeutel geachtet - von cheap bis Luxus ist alles drin. Ich wollte den Luxus nicht raushalten, da man ja manchmal nur für eine Nacht in ein tolles Hotel einchecken möchte - vielleicht zur Feier eines Geburtstags, Jahrestags oder schlicht zum Valentinstag.


Zu guter Letzt: Was ist dein ultimativer Tipp für den perfekten queeren Sommerurlaub?


Hmmm, spontan würde ich sagen: Gran Canaria - dort gibt es so viele coole Events, der Veranstaltungskalender ist voll von queeren Ereignissen. Außerdem ist das natürlich auch ein Ort mit wundervoller Landschaft und einem angenehmen Klima. 


Liebe Simone, ich danke dir sehr für das Gespräch!



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