kim k nipple bra

Foto von Matt Palmer auf Unsplash

Mit Plastiknippeln zu mehr Umweltschutz und feministischer Selbstbestimmung?!

Kathi | 17.12.23

Die neueste Werbeaktion der geschäftlich gewieften Kardashian-Familie gibt sowohl Klima-Aktivist*innen als auch Feminist*innen Anlass zur Diskussion. Unsere Redakteurin Kathi fasst den Eklat um den "Nipple-Bra" anschaulich zusammen.

Der Kardashian-Jenner-Clan herrscht über die sozialen Medien. Am meisten geliktes Baby-Bild der Welt? Kylie Jenners Tochter Stormi. Erfolgreichste Reality-Show? Keeping up with the Kardashians, die von 2007 bis 2021 das Leben der Familie begleitete– sie fasziniert und spaltet die Geister. Und ja, ich gebe es zu: In meiner Teenager-Zeit war ich verrückt nach dieser Familie. Ich konnte verschiedene Szenen der Show perfekt nachsynchronisieren, alles aus ihrem Leben wusste ich bis aufs kleinste Detail – Kims zweiter Name ist Noel. Die von ihnen propagierten problematischen Schönheitsideale sog ich auf, als wären sie ein Mantra. Auch ihre Produkte wollte ich natürlich haben, aber da war mein Geldbeutel zu schmal und so kaufte ich irgendwelche Fälschungen auf dubiosen Websites, einfach nur um ein bisschen mehr so zu sein wie der Kardashian-Jenner-Clan rund um Kim, Kylie und co. 


Ich glaube, eigentlich muss ich niemanden erklären, wer die Menschen sind, um die es hier geht, aber ich fasse es kurz zusammen: Kim Kardashian und ihre Schwestern Kourtney, Khloe, Kylie und Kendall sind vor allem durch ihre eigene Reality-Show
Keeping Up with the Kardashians bekannt, die fast 15 Jahre lang das Leben der Familienmitglieder zeigte. Dadurch wurden sie weltberühmt und bekamen die Möglichkeit, sich selbst zu vermarkten und den Standard für Schönheit neu zu definieren. 


Eine schrecklich skandalöse Familie

Schon seit Beginn ihrer Karriere gibt es kritische Stimmen zu dieser Familie und ihrer Lebensweise. Mit den Jahren häuften sich die Skandale. Seien es diverse Vorwürfe der kulturellen Aneignung, wie gegen die Tequila-Marke von Kendall Jenner oder Kim Kardashians Shape-Wear, die sie ursprünglich Kimono nannte, oder die Leugnung von Schönheitseingriffen, wie bei Kylie Jenner, die jahrelang behauptete, ihre vollen Lippen seien nur mithilfe ihres Lippenstifts entstanden. Wie Kylie machen auch die anderen Schwestern ein sehr fragwürdiges Marketing für ihre eigenen Produkte. Die mittlere Schwester Khloe hatte lange mit Body-Shaming zu kämpfen und veränderte durch den öffentlichen Druck ihr Aussehen komplett. Aber das reichte natürlich nicht, denn Geld verdient wurde damit nicht. Also startete Khloe ihre eigene Reality Show namens Revenge Body, bei der Menschen ihren Körper komplett verändern, um Rache an ihren Ex-Partner*innen oder anderen ihnen nahestehenden Personen zu nehmen. Body-Positivity und gesundes Körperbild at their best.

Das Nipple-Bra-Desaster

Die neueste Werbeaktion der geschäftlich gewieften Familie stammt von Kim Kardashian und schafft sowohl bei Klima-Aktivist*innen als auch Feminist*innen einen ganz großen Raum für Diskussionen. Vor wenigen Wochen stellte Kim Kardashian auf allen Social-Media-Plattformen das neueste Teil ihrer Marke Skims vor. Der Aufhänger war der Klimawandel. So erklärt Kim uns Zuschauenden, dass es immer wärmer werde und der Meeresspiegel stetig steige. Folglich brauchen Konsument*innen natürlich ihren Nippel-Bra mit integrierten Plastiknippeln, denn: Damit sähen sie immer so aus, als würden sie frieren, egal wie warm es draußen sei. Das löst bei mir einfach nur Unverständnis aus und zwar aus zweierlei Gründen: 


  1. Den Klimawandel für mehr Konsum zu missbrauchen ist einer der billigsten Marketingtricks der Welt. Skims reiht sich damit in die Riege “netter” Unternehmen wie Nestlè, RWE und Coca-Cola ein. Denn hier liegt ein Fall von Greenwashing vor. Angeblich werden pro verkauftem Nippel-Bra 10% an One Percent for the Planet gespendet. Dahinter steckt ein globales Netzwerk von Unternehmen, wie die Tequila Marke 808 von Kims Schwester Kendall Jenner. Diese Unternehmen zahlen eine bestimmte Summe (meistens 1%) ihres Gewinns an dieses Netzwerk, damit es dann das gesammelte Geld an eines von 1.500 Umweltprojekten spendet. Hört sich meiner Meinung nach irgendwie sehr kompliziert und eher nach einem “Ich-kaufe-mein-Gewissen-rein”-Mechanismus an. Besonders, wenn auf der offiziellen Skims Seite nichts zum Thema Nachhaltigkeit zu finden ist.                                                                                                                                                                                                                 
  2. Plastik-Nippel und ein Push-Up-BH, der die weibliche Brust perfekt in Szene setzt, sollen zeigen, wie cool und normal es ist, Nippel zu sehen. Dabei war und ist es für viele Frauen unangenehm, ohne BH vor die Tür zu gehen, da es in vielen Kreisen als Tabu gilt, wenn die Nippel durch das Oberteil erkennbar sind. Die würden doch eher ins Private gehören anstatt in die Öffentlichkeit – es könnten sich ja Menschen dadurch gestört fühlen. Viele Frauen tragen bewusst keine BHs, da sie sich diesem gesellschaftlichen Druck nach perfekten Brüsten zu entziehen versuchen. Dabei ernten sie oft Blicke oder Kommentare. Kim Kardashian hat es aber mit ihrem wunderbaren BH geschafft, Nippel (sofern sie perfekt aussehen, aus Plastik sind und an einem BH stecken) gesellschaftstauglich zu machen. Denn ihr BH macht Nippel sichtbar. Zumindest eine bestimmte Art von Nippel und eine bestimmte Art von Brüsten. Denn perfektes Aussehen steht eben bei diesem PUSH-UP-SHAPE-WEAR-BH im Vordergrund. Nicht die feministische Selbstbestimmung, bei der bewusst mit sozialen Konventionen gebrochen wird und auch nicht die unendliche Variation von Nippeln und Brüsten, die von Person zu Person unterschiedlich sind.

„Den Klimawandel und feministische Kämpfe nach mehr Selbstbestimmung und Akzeptanz des weiblichen Körpers auszunutzen und als etwas Lächerliches wirken zu lassen, ist ein Zeichen von Ignoranz und Profitgier.“

Der vermeintlich positive Aspekt


Unter ihren Werbepost auf Instagram und Co. fällt allerdings auf, dass Personen, die aus unterschiedlichsten Gründen keine Nippel haben, etwas empowerndes in diesen BHs sehen. Dieser Aspekt des Empowerments, den so ein BH bewirken kann, ist total wichtig. Das findet auch Jojo von Consent Calling, dem Kollektiv für Feminismus, Sexualität und eben Konsens in München. Gleichzeitig sagt sie aber, dass es wenig Sinn ergebe, dieses Modell zu kaufen. Denn um den Nippel-Bra zu tragen, brauche eine Person ja Brüste, damit er richtig sitzt. Für Menschen ohne Brüste gebe es individuelle Brustprothesen und dazu eben spezielle BHs. Die Herstellungsfirmen wären, anders als Skims, gezielt auf Personen ausgerichtet, die das brauchen – sogar mit integrierten Nippeln. Dazu gäbe es von diesen Marken BHs, die die Nippel der Brustprothese zeigen. Also auch hier keine Notwendigkeit des Nippel-Bras. 

 

Auch wenn Menschen ohne Nippel eventuell von diesem BH profitieren und somit mehr Selbstbewusstsein erlangen, ist diese Form des Marketings inakzeptabel. Vor allem, weil Kim primär ihre Zielgruppe damit ansprechen will und nicht die betroffenen Personen. Den Klimawandel und feministische Kämpfe nach mehr Selbstbestimmung und Akzeptanz des weiblichen Körpers auszunutzen und als etwas Lächerliches wirken zu lassen, ist ein Zeichen von Ignoranz und Profitgier. 


   

Alles in allem stellt sich die Familie um Kim Kardashian nicht der Verantwortung, die eine derart große Reichweite auf Social-Media mit sich bringt. Zumal ihre Fans zu einem großen Teil Teenager und junge Erwachsene sind und sich von vermeintlichen Trends und Schönheitsidealen leicht beeinflussen lassen. Anstatt ihre Macht und Reichweite für mehr Gleichberechtigung und Dekonstruktion von rassistischen und stereotypisierenden Schönheitsidealen beizutragen, befeuern sie diese im Gegenteil sogar, indem sie ihren Fans und Konsument*innen durch ihre problematischen Produkte das Gefühl geben, auf eine bestimmte Weise aussehen zu müssen.


Ich spare mir die 60$ für einen BH mit integriertem Plastik und spende die 6$, die angeblich pro verkauftem Nippel-Bra dem Umweltschutz zugutekommen an eine von mir selbst ausgesuchte Organisation. Da kann ich eher nachvollziehen, wo mein Geld hilft.




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