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Petra | 28.02.2023
Der Equal Care Day existiert ja, weil in Wahrheit nichts equal ist – außer vielleicht die Verzweiflung von Eltern auf der Suche nach einem Kita-Platz. Was es hier braucht: Einen Leitfaden für den Wahnsinn zwischen Bewerbungsfoto und Motivationsschreiben und entscheidende Verhaltenstipps, um sich von anderen Eltern positiv abzuheben. Denn eines ist klar: Eltern sind nicht einfach nur Eltern. Sie sind erbitterte Konkurrent*innen.
Das Zoom-Meeting beginnt in drei Minuten, sekündlich schalten sich weitere Eltern dazu. Je höher die Teilnehmeranzahl steigt, desto tiefer sinkt die Laune derer, die bereits auf den Host warten, denn: Es geht hier um alles: darum, ob Mama und Papa künftig die Arbeitsstunden erhöhen können oder nicht, ob damit die letzte Mieterhöhung mittelfristig noch zu berappen ist und ob ein bescheidener Campingurlaub im Sommer noch im Rahmen des Möglichen liegt. Es geht um einen Kindergartenplatz.
Der Vorstand der Elterninitiative „Krümel-Kids e.V.“ schaltet sich dazu. Er heißt Adam. Geduldig wartet er auf die Letzten, die sich ein bis drei Minuten nach Meetingbeginn einklinken. Die sind schon mal raus, sieben potenzielle Mitstreiter weniger, außer sie legen ab jetzt eine rasante Performance hin.
Begrüßung, Pädagogisches Konzept, lalala, ich halte mein interessiertes Lächeln aufrecht, nicke abwechselnd positiv überrascht und immer verständig – dann passe ich eine geeignete Gelegenheit ab, um eine relevante Frage zu stellen:
„Gehen die Kinder denn auch mal bei Regenwetter vor die Tür?“ Das ist mir natürlich ziemlich
equal, aber ich weiß: Solche Fragen hinterlassen einen positiven Eindruck, Subtext: Ich bin eine Mutter, die sich um ihr Kind sorgt und der nicht egal ist, ob es genügend Frischluft atmet. Und allein die Tatsache, dass ich was frage, bedeutet FaceCare, man wird gesehen unter den 47 weiteren Teilnehmern und mit Glück merkt sich der Vorstand mein dezent geschminktes Gesicht. Aber ich werde getoppt:
„Ist das Essen von einem Kinder-Bio-Catering? Und wenn ja, ist es gesalzen?“ Wow, da hat sich jemand vorbereitet.
Man muss natürlich wissen, dass solche Fragen besonders gut bei Elterninitiativen ankommen. Und dass Elterninitiativen alternativlos sind, weil es eben trotz gesetzlichem Anspruch auf einen Kitaplatz noch lange nicht genügend Kitaplätze gibt.
Elterninitiativen können sich rauspicken, wessen Nachwuchs bei ihnen unterkommt. Elterninitiativen bevorzugen engagierte Eltern, die Basteltage organisieren, Ausflüge planen, bestenfalls ein Instrument beherrschen (fürs Sommerfest) und die immer Zeit haben für Elterndienste, falls das Kitapersonal erkrankt. Eltern, die die anfallende Kitawäsche mitnehmen und sauber zurückbringen – zuverlässig (!), – und die gerne auch mal ihre Freizeit zur Verschönerung der Einrichtungsräume opfern, mutmaßlich, weil sie so reich sind, dass sie sonst nichts zu tun haben.
Eltern, die Bock auf „Eltern-Ini“ (Wouahhh!) haben, gründen ihre eigene Elterninitiative. Alle anderen tun so, als ob sie solche Eltern wären – um reinzukommen nämlich. Insgeheim wissen wir anderen Eltern:
Elterninitiativen gibt es nur, weil der Staat davon profitiert. Denn die Ämter, die Eltern in diesen e.V.s übernehmen, sind mitunter Teilzeitstellen, die sich die Kommune spart.
Denn Elterninitiativen werden zwar bezuschusst, doch bleibt viel Arbeit an den Eltern hängen, die hier als Arbeitgeber für das Erzieherteam fungieren, Verantwortung tragen für die Finanzen, das Personal und allen möglichen anderen Quatsch (Geschenke-Amt, Hygiene-Amt, Hausmeister-Amt usw.) Ich zum Beispiel bin gerade Organisatorin der Eltern- und Wäschedienste. Außerdem schreibe ich an Elternabenden Protokoll. Ein vergleichbar dankbarer Job. Eine gute Freundin von mir war mal Vorstand. Das war permanent so viel Stress, dass die ansonsten entspannte Frau in leitender Position bald unter Sodbrennen, juckendem Hautausschlag und Schlaflosigkeit litt. Eltern können sehr anstrengend sein. Und Erzieher*innen auch.
Was aber auch stimmt: Elterninitiativen haben oft einen sensationellen Betreuungsschlüssel (weniger Kinder, mehr Personal). Und wenn man mal pragmatisch denkt, ist es doch so: Das Personal ist potenziell überall gleich gut oder schlecht. Aber je weniger Kinder da sind, desto geringer der Lärmpegel, desto weniger Nervensägen, desto freundlicher die Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen mit den Kindern. Das wiederum ist mir tatsächlich wichtig. Darum mache ich den ganzen Zirkus jetzt schon zum zweiten Mal mit, von der Krippe zum Kindergarten. Und natürlich auch, weil es, wie schon gesagt, eh nicht genügend städtische Optionen gibt – will ja morgens nicht durch die halbe Stadt gondeln zu dem einen Kindergarten, bei dem ich mir potenziell `nen Platz eingeklagt hab. Kinder von Klägern haben nämlich geschätzt sicher keinen guten Stand beim Kita-Personal. Und ehrlicherweise habe ich ohnehin keinen Rechtsschutz.
Wenn Ihr da draußen nun besorgt seid, ob Ihr es mit Euren Sprösslingen durch das harte Auswahlverfahren schaffen könnt, so behaupte ich: Es gibt ein paar beeinflussbare Parameter.
Starten wir mal ganz easy mit dem Offensichtlichen:
Und zwar am besten lange vor dem offiziellen Startschuss – mein Tipp: Im Herbst für Herbst. Per Mail höflichst bei Adam und ähnlich heißenden anfragen, vielleicht schon mal ein authentisches Heile-Welt-Familienbild (Tipps hierzu weiter unten im Text) mitschicken und erklären, dass man das Pädagogische Konzept ja sowas von innovativ findet. Und dass ihre „Eltern-Ini“ die absolut erste Wahl für Euch wäre. Mit ein wenig Glück schafft Ihr es in die ...
2. ... Erste Runde des Auswahlverfahrens
und bekommt eine Einladung zum Tag der Offenen Tür oder zum Virtuellen Info-Abend. Vorab auf die Website gehen, das Konzept studieren und sich, siehe oben, passende Fragen überlegen. Etwa für die Wald-Kita: „Könnte ich eventuell meinem Kind im Sommer Sonnencreme mitgeben, damit das Erzieher-Team nachcremen kann? Meine Kleine hat so helle Haut.“ Außerdem: sich passend anziehen. Stichwort: Nachhaltig. Stichwort: Urban, aber nicht zu hip, man will ja keine Neider auf sich ziehen. Dem Kind zusätzlich ein aus leeren Klorollen gebasteltes Tier in die Hand drücken und beiläufig fallen lassen, dass es unbedingt einen eigenen Günther Kastenfrosch basteln wollte, nachdem Ihr gemeinsam Janosch-Bücher gelesen hattet.
Wichtig: Falls Ihr aufgrund von Krankheit nicht zum Tag der Offenen Tür gehen könnt, seid Ihr raus, auch wenn Ihr euch zuvor entschuldigt habt. Aber bildet Euch bloß nicht ein, dass Ihr deshalb mit hustendem Kind antanzen könnt, dann seid Ihr nämlich auch raus, ihr Asis! Kleiner dreckiger Tipp: Kinderärzt*innen, bevorzugt solche mit eigenen Kindern, verschreiben in der Tag-der-Offenen-Tür-Saison routiniert Hustenblocker. Ihr findet das schlimm? Hört auf rumzumemmen, Ihr Anfänger, hier geht’s um frühkindliche Bildung!
3. Motivationsschreiben und Ämterpräferenzen
Um aus den vielen Bewerber*innen beim Tag der Offenen Tür bzw. Virtuellen Infoabend eine Selektion zu bewerkstelligen, kommt danach der schriftliche Test – mit einem Motivationsschreiben und der Abfrage nach Euren Ämterpräferenzen dürft Ihr zeigen, ob Euer pädagogischer Bildungs- und Motivationsgrad den Anforderungen der Eltern-Ini entspricht. Besonders gut kommen handgeschriebene Briefe aus Kinderperspektive an. Hier mal zur Inspo:
Liebes Naturkindergarten-Team,
ich heiße Merle und würde so gerne zu Euch in die Kita-Gruppe kommen. Die Aussicht, täglich, auch bei Minusgraden im Wald zu spielen, ohne sanitäre Anlagen, stelle ich mir so wild und frei vor. Ich bin dreieinhalb Jahre alt und natürlich bereits sauber. Und ich lieeeebe Singen und Tanzen, und baue mir mein Spielzeug bevorzugt selbst aus herumliegenden Ästen und Zweigen.
Meine Eltern haben außerdem versprochen, sich um die Finanzen der Kita zu kümmern und obendrein dreimal jährlich ein Kasperle-Theater am Bauwagen aufzuführen.
Es grüßt Euch mit vogelfreiem Luftkuss
Merle
Kurzinfo zum Foto:
Dos:
Don'ts:
4. Die Einladung zum Probespielen
Ihr habt es fast geschafft. Motivationsschreiben und Foto haben überzeugt, Ihr wurdet zum Spielen eingeladen. Der letzte harte Test im Auswahlverfahren. Für das einstündige Kennenlernen nehmt unbedingt Hausschuhe fürs Kind mit (kommt fürsorglich) und natürlich eine Brotzeit, die man kurz aus der Tasche hervorlugen lässt. Natürlich dreht sich das Gespräch um das tolle Angebot der Kita und darum, dass es dem Kind auch so gut gefällt. Das unkontrollierbare Risiko liegt beim Kind: Etwa, wenn es laut ist oder beim Anblick der vielen neuen Kinder weint. Eine Bekannte etwa erzählte mir, dass ihr Sohn beim Reinkommen in die Kita gleich die Rutsche entdeckte und schwer begeistert hinrannte, um zu rutschen. Daraufhin meinte die Erzieherin: „Hui, der ist aber ganz schön wild.“ In diesem Moment wusste meine Bekannte, dass sie raus waren.
Notfallsätze für solche Fälle:
Ich denke, das Prinzip wird klar. Abschließend darf ich noch erwähnen, dass es sehr sinnvoll sein kann, bereits in die Elterninitiative integrierte Eltern zum Kaffee einzuladen, um sich vorab subtil für den Auswahlprozess zu empfehlen. Das hilft auch später weiter, wenn man dann Teil der Kita und damit der unvermeidbaren WhatsApp-Gruppe geworden ist. Kleine Kostprobe gefällig?
@Sybille Braun: „Mir ist neulich aufgefallen, dass der Sofabezug vom Spielsofa total fleckig ist. Wer ist denn da zuständig? Finde das ekelerregend.“
@Sofia Zumwinkel: „Das Hygiene-Amt habt Ihr doch, @ElternvonBenedikt. Könnt Ihr Euch bitte asap darum kümmern?“
@Stefan Haslreiter (Vater von Benedikt): „Ich finde ja, wir könnten gleich ein neues Sofa kaufen. Es gibt da ein ganz tolles, das können die Kinder lustig umbauen und auseinandernehmen, das wäre doch toll.“
@Ich: „Das kostet aber 300 Euro. Ist das denn in aller Budget?“
Aber bitte macht Euch jetzt mal keine Sorgen um die Zukunft. Das kommt früh genug. Ich jedenfalls freue mich bereits auf die Einschulung – und hoffe, dass dann alles leichter wird.
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