Cilia Spitz | 05.10.2022
Fotocredit: Lion Bischof
Das Kollektiv Crèmbach gibt es seit Anfang 2020. Das Kollektiv veranstaltet immer wieder verschiedene Ausstellungen und Events für alle Menschen, die Kunst einmal anders erleben möchten. Auf eine Art und Weise, bei der man selbst in die Rolle der Künstler*in schlüpfen kann, schafft das Kollektiv einen Ort, an dem man sich wohlfühlt und jede Menge Spaß haben kann. Hinter dem Kollektiv steht eine Gruppe von jungen Menschen zwischen 14 und 30 Jahren, die sich ehrenamtlich der Kunstvermittlung widmen. Wir haben Fiona, Carina und Sabrina getroffen, die drei sind Teil des Kollektivs und werden im Folgenden einen Einblick in ihre Arbeit und die Ideen dahinter geben.
BUUH!: Ihr gehört zum Kollektiv Crèmbach — wie ist das Kollektiv entstanden?
Sabrina: Es hat so angefangen, dass ich von Charlotte Coosemans, die damals in der Abteilung Kunstvermittlung am Lenbachhaus gearbeitet hat, angeschrieben wurde. Sie hat mir von einem Projekt erzählt, das von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde. Charlotte hat sich dann darum gekümmert, dass das Lenbachhaus bei diesem Projekt mitmacht und ein Jugendgremium gründet. So kam es zustande, dass wir uns Anfang Januar 2020 alle das erste Mal getroffen haben. Wir haben dann überlegt, was ein Jugendgremium überhaupt macht. Bei dem Gespräch sind wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht Jugendgremium heißen wollen, weil das so steif klingt, als hätte man kein Mitspracherecht. Also haben wir uns einen eigenen Namen gegeben: Kollektiv Crèmbach.
BUUH!: Was ist ein Jugendgremium, und welche Aufgaben übernimmt es?
Carina: In unserem Fall ist es vor allem das Vernetzen untereinander. Es gibt noch mehrere Jugendgremien, die durch die Kulturstiftung des Bundes gefördert wurden. Die sind auch im Museum ansässig und versuchen, eigene Projekte zu veranstalten.
Sabrina: Wir versuchen durch bestimmte Veranstaltungen, mehr Menschen ins Museum zu bringen.
BUUH!: Wie sieht eure Arbeit aus und was möchtet ihr damit erreichen?
Fiona: Also bis jetzt haben wir meistens Mitmachaktionen veranstaltet, wie das Crèmbachhaus mit vielen Workshops. Damit wollen wir zeigen, dass Museum nicht immer nur heißt, dass man still sein und sich große Kunstwerke anschauen muss. Wir wollen zeigen, dass man selbst aktiv werden kann und die Kunst von der anderen Seite kennenlernen kann. Es muss nicht immer alles perfekt sein, sobald man einen Stift in die Hand nimmt.
Carina: Es heißt zwar Jugendgremium, aber wir haben in der Ausstellung gemerkt, dass wir auch Menschen aus anderen Altersgruppen erreichen wollen. Auf der Ausstellung hatten wir eine Schaukel, auf die sich eine 60-jährige Frau gesetzt hat, die das letzte Mal geschaukelt ist, als sie noch ein Kind war. Sie hatte so viel Spaß daran, dass wir gemerkt haben, dass wir zwar die Perspektive von jungen Menschen haben, aber trotzdem alle damit erreichen können.
BUUH!: Worum geht es in euren Augen bei Kunst?
Sabrina: Also ich würde sagen, wir als Kollektiv verstehen uns vor allem als Vermittler*innen. Wir wollen Kunst so vielen Personen wie möglich näherbringen. Deswegen bieten wir auch so viele Workshops an, wie zum Beispiel Siebdrucken. Das ist nämlich für viele Menschen nicht zugänglich, weil es ziemlich teuer ist. Wir hatten jetzt immer die Möglichkeit, alles kostenlos anzubieten. Uns geht es bei Kunst darum, dass Menschen teilnehmen können und dass Kunst nicht so auf einem Podest steht.
BUUH!: Wie nehmt ihr die Rolle von Kunst und Kultur unter jungen Leuten wahr?
Sabrina: Also wir kennen uns hauptsächlich in der Münchner Szene aus, aber ich habe schon das Gefühl, dass es ein großes Interesse bei den jungen Menschen gibt. Vor allem an mehr Kunst- und Freiräumen für junge Menschen. Es gibt von deren Seite großes Interesse, teilzunehmen. Es ist aber auch sehr schwierig, in München so etwas anzufangen, weil es so viel Geld und Zeit kostet.
Fiona: Was ich noch interessant fand: Ich habe, als wir im Lenbachhaus in der Ausstellung „Kollektive der Moderne“ waren, beobachtet, dass recht viele junge Menschen sich auch interessiert die Kunst angeschaut haben, also in ein klassisches Museum gegangen sind. Und das kannte ich aus meinem Umfeld in Würzburg nicht so sehr.
Sabrina: Was mir auch aufgefallen ist, dass es Institutionen wie Museen total schwer fällt, unsere Altersgruppe anzusprechen. Es gibt immer total viel Programm für Kinder und Jugendliche oder dann für Ü 60-jährige, aber junge Menschen werden eigentlich kaum bis nie angesprochen. Wahrscheinlich fühlt man sich dadurch dort nicht so wohl.
Fotocredit rechts: Anne Schwarzelt und Tim Petersen
BUUH!: Wie kann man Kunst und Kultur spannender gestalten?
Fiona: Was gut funktioniert, ist, wenn man Kunst in einer Form kennenlernt, die man aus dem Alltag kennt, z.B. Podcasts oder die Schaukeln bei unserer Ausstellung. Die Schaukel ist ein Objekt, das die Leute kennen und bei dem sie wissen, was man damit anfangen kann.
Carina: Vielleicht ist das gerade ein Trend, dass der Prozess immer wichtiger wird und nicht das Endergebnis. Ich glaube, es gibt einfach so viele andere Arten, wie man Kunst gestalten könnte. Genau das ist wahrscheinlich das Spannende, dass man Kunst auch anders vermitteln kann als Bilder an der Wand, denn das kennen wir schon.
Sabrina: Ich würde noch hinzufügen, dass sich die Kunstvermittlung auch an die heutige Zeit anpassen sollte. Es gibt viel mehr Medien und die kann man nutzen, um Kunst zugänglicher und spannender zu gestalten.
BUUH!: Sind euch während eurer Arbeit bestimmte Barrieren aufgefallen?
Sabrina: Uns als Kollektiv sind bei unserer Arbeit schon viele Barrieren aufgefallen, eins der größten Hindernisse ist, dass wir nicht ernst genommen werden, weil wir junge Menschen sind. Oft heißt es, wir hätten Kunst ja nicht studiert und deswegen wäre unsere Meinung einfach unwichtiger.
Carina: Da fällt mir der Begriff Youthwashing ein, einerseits wollen sie uns, weil wir jung sind, aber im Endeffekt wollen sie gar nicht hören, was wir sagen. Der Kunst- und Kulturbereich ist einfach ein Business, da steckt super viel Geld drinnen. Dadurch entsteht in der Kunstwelt eine Exklusivität, weil nicht jeder das Geld hat, besonders junge Leute wie wir nicht.
Sabrina: Zeit spielt auch eine Rolle, wir im Kollektiv machen das alle ehrenamtlich und können deswegen oft einfach nicht mehr Zeit investieren. Auch im Museum findet man einige Barrieren, oft wird noch sehr konservativ gedacht. Das heißt, es gibt nicht unbedingt inklusive Toiletten oder die Beschilderung für gehbehinderte Menschen ist auch nicht optimal. Aber auch die Infotexte in Museen bilden für manche Menschen eine Hürde, weil die Sprache schwer zu verstehen ist.
Fiona: Wir sind ein junges, dynamisches Kollektiv und entscheiden oft spontan, worauf wir Lust haben. Und wenn wir eine Idee haben, gibt es dann oft Probleme, diese umzusetzen. Oft sind aus raumtechnischen Gründen und bestimmten Vorgaben der Institutionen die Ideen nicht möglich.
BUUH!: Welche Rolle spielt unser Online-Zeitalter in Bezug auf Kunst?
Fiona: Es gibt viele neue Techniken, man kann über soziale Medien eine viel größere Anzahl von Leuten erreichen. Ein Beispiel ist, wie eine Person Menschen online dazu aufgerufen hat, ein A4 Blatt komplett mit Tinte anzumalen und dann mit Killer darauf zu zeichnen. Die gesammelten Bilder hat sie dann zu einem großen Kunstwerk zusammengehängt.
Carina: Für mich ist es auch mehr eine Chance. Einfach, weil man Kunst von der ganzen Welt zu sehen bekommt. Man kann sich auch leicht inspirieren lassen, aber vielleicht ist das auch ein Hindernis, wenn man so viel Kunst sieht, dann noch eigene Ideen zu entwickeln. Ich glaub, das ist eine große Frage. Positiv ist auch, dass soziale Medien für Menschen eine Plattform bieten, die sonst wenig Chancen haben, auf sich aufmerksam zu machen.
Fotocredit links: Anne Schwarzelt und Tim Petersen
BUUH!: Welche Erfahrungen habt ihr mit den Menschen auf euren Veranstaltungen gemacht, was für Reaktionen gab es?
Carina: Also ich muss sagen, die Leute, die da waren, fanden es immer sehr schön und was wir gemacht haben, kam immer gut an. Nur einmal hat sich jemand daran gestört, dass Sabrina diejenige Person nicht gesiezt hat (lacht).
Sabrina: Das war so, dass ich damals im Kunstbau zu einer Person meinte: „Dann kannst du auch dahinten noch hingehen“. Diese ältere Person, ich nehme an, es war ein Mann, hat dann gefragt, ob man hier immer geduzt wird. Ich habe dann gesagt, dass wir ein junges Kollektiv sind und wir uns gegenseitig auch immer mit “Du” ansprechen, und deswegen führen wir das auch so weiter. Er war dann erst ein bisschen genervt, aber als er alles angeschaut hatte, kam er nochmal zurück und meinte begeistert, ob man das auch kaufen kann und hat sich noch 5 Flyer mitgenommen. Man hat richtig gemerkt, dass er am Anfang eine andere Erwartung hatte und die haben wir gebrochen. Aber das fand er dann doch total gut (lacht).
Fiona: Viele finden es auch sehr inspirierend und freuen sich, dass sie einfach sie selbst sein können und in einem Raum eingeladen sind, das zu machen, worauf sie gerade Lust haben.
BUUH!: Welche Themen sind euch wichtig und wollt ihr bei euren Veranstaltungen widerspiegeln?
Carina: Ich finde Inklusion auf allen Ebenen sehr wichtig. Zum einen, dass es barrierefrei für Rollstuhlfahrer*innen ist. Barrierefreiheit kann aber auch heißen, dass Leute, die wenig Geld haben, nichts bezahlen müssen. Wir versuchen, alles gratis anzubieten und generell alles so barrierefrei wie möglich zu gestalten. Inklusion ist ein großes Wort, das so viel beinhaltet, aber es fasst alles ganz gut zusammen.
Sabrina: Wir wollen einen Ort kreieren, an dem sich so viele Menschen wie möglich wohlfühlen können, einen Safespace. Wir möchten auch einen Einblick in unsere Arbeitsweisen geben. Es gibt jetzt schon immer mehr Kollektive und in Zukunft wird das ein noch größeres Thema werden.
BUUH!: Welche Projekte bietet ihr demnächst an?
Carina: Am 8. und 9. Oktober bieten wir einen Graffiti Workshop an.
Sabrina: Die Möglichkeit haben wir, weil wir von der Bürgerinitiative in Giesing eine Patenschaft für eine Wand bekommen haben. Wir haben auch einen weiteren Siebdruck Workshop geplant, dafür haben wir aber noch keinen Tag festgelegt. Es soll auch noch eine Publikation zum Documenta-Projekt geben.
BUUH!: Habt ihr noch abschließende Worte?
Sabrina: Also wir wollen auf jeden Fall weiterhin als Kollektiv Crèmbach aktiv sein. Und wenn euch gefällt, was wir machen, schaut unbedingt bei unseren Veranstaltungen vorbei und folgt uns auf Instagram. Gerne könnt ihr uns auch schreiben, wenn ihr Interesse an einer Kollaboration oder andere gute Ideen habt. Wir sind ständig auf der Suche nach Räumen, die wir nutzen können, also falls ihr da Infos habt, meldet euch gerne bei uns!
Instagram:@kollektiv.crembach