Kolumbus

Geschichte neu lernen


„Ein Mann der sich Kolumbus nannt, widewidewitt bum bum“ … Ja genau, der Kolumbus aus dem Kinderlied. Aber wer ist denn dieser Mann? Der „Entdecker“ der „Neuen Welt“ ist er auf jeden Fall nicht!

Durch den momentanen Anti-Rassismusdiskurs sind post- sowie dekoloniale Thematiken erneut in den Mittelpunkt gerückt. Statuen von Eroberern oder Sklavenhändlern – Symbole der kolonialen Herrschaft – werden von den Sockeln gestürzt. Ebenso sieht man durch die momentane Diskussion, wo noch koloniale Überreste vorzufinden sind und wo immer noch Bedarf nach einem Dekolonialisierungsprozess besteht. Eine Person, die in diesem Rahmen in den USA und Lateinamerika stark diskutiert wird, ist Christopher Kolumbus. Auch in Deutschland finden sich einige Straßen, Plätze und Haltestellen, die nach ihm benannt sind – eine Diskussion findet hier jedoch keinen großen Anklang. Obwohl schon seit Jahren Aktivist*innen immer wieder koloniale Straßennamen & Co. kritisieren, Petitionen zur Umbenennung starten oder demonstrieren, um auf diese aufmerksam zu machen, stoßen sie in den meisten Fällen auf Widerstand und deren Anträge führen nur selten zu den geforderten Namensänderungen. Das Verherrlichungspotenzial was Straßen, Plätzen und Statuen zugrunde liegt, wird somit immer wieder aufs Neue nicht wahrgenommen und bleibt unbeachtet. 

Ein wichtiger Bestandteil des dekolonialen Diskurses stellt der Eintritt der Amerikas in die Weltgeschichte dar. So ist das Jahr 1492 der Beginn für die Kolonialität und Modernität, die wiederum die Geburt des kapitalistischen Weltsystems ermöglichten. Europa erlangte als Teil eines neuen globalen Machtmodells die Kontrolle über Subjektivität, Kultur und vor allem über alle Formen der Wissensproduktion. Die kolonisierte Bevölkerung war gezwungen, die Kultur der Herrschenden teilweise oder ganz zu adaptieren. Vor allem sind religiöse Praktiken davon betroffen. Somit ergibt sich langfristig eine Kolonisierung der kognitiven Perspektiven und der Vorstellungswelt. Einen Eurozentrismus, den wir in sämtlichen Bereichen der Wissenschaft, auf Karten oder in der Geschichtsschreibung finden.

“Betrachtet man die im 19. und frühen 20. Jahrhundert vergebenen Straßennamen genauer, fällt die symbolisch aufgeladene Bedeutung und identitätsstiftende Zielsetzung von Straßenbenennungen in dieser Zeit auf. Vaterländische und patriotisch-nationalistische Bezüge sind dabei ebenso festzustellen [...] Neben der Erinnerung an militärische Großereignisse, an deren Orte und an beteiligte Akteure stand dabei häufig die „Ehrung verdienter Männer“ im Mittelpunkt. Von Frauen war zu dieser Zeit noch nicht bzw. nur in Ausnahmefällen die Rede”


Doch was hat das alles jetzt mit Kolumbus zu tun?


Es ist klar, dass ein einzelner Mensch nicht für die gesamten Kolonisierungsprozesse verantwortlich gemacht werden kann, jedoch verkörpert seine Gier nach Macht und Ruhm eben diese eurozentristische und sich über alles stellende Haltung. Eine Gier, die sich in den Genoziden, Plünderungen und der schrittweisen Einführung des Sklavenhandels widerspiegelt. Warum sollten wir dann weiterhin diesen Menschen mit Straßen- und Platznamen ehren und glorifizieren?

 

Man muss diese Persönlichkeiten in den damaligen Kontext setzten, denn wir können nicht die Geschichte ändern. (Bekanntes Gegenargument)


Ja klar, man muss es in den damaligen Kontext setzen. Beim politischen Ikonoklasmus oder bei Straßenumbenennungen geht es aber auch nicht darum, die Geschichte auszulöschen, sondern aus ihr zu lernen, Betroffenen zu gedenken, die darunter gelitten haben und oft immer noch darunter leiden. Und natürlich Massenmörder und Rassisten nicht zu ehren! Und es ist keine Lösung sich rauszureden, indem man sagt: „Ja… aber früher waren die Menschen einfach anders gestrickt und es herrschten andere Wertvorstellungen“. Es wird die ganze Zeit über Geschichte geredet. Dabei wird vergessen, dass wir auch gerade jetzt Geschichte schreiben. Stadtbilder haben sich immer geändert und werden sich immer ändern - worin liegt also das Problem, sehr kritische Statuen zu beseitigen oder zu verändern? Oder fühlt sich vielleicht jemand in seinem Weltbild angegriffen?  

Wenn gesagt wird: „Das, was die Leute stört ist nicht die Vergangenheit, sondern das Jetzt“, sollte dabei aber nicht vergessen werden, dass das Jetzt aus der Vergangenheit resultiert. Es geht auch darum, wie im Jetzt von Vergangenem geredet wird oder darüber gelehrt wird. Wenn wir gegen den in unser Gesellschaft vorzufindenden Rassismus angehen wollen und auf der anderen Seite Menschen, die Teil der Durchsetzung rassifizierter Denkmuster und Handlungen sind, immer noch unsere Stadtbilder prägen, bleibt es kontraproduktiv, diese bestehen zu lassen.
Nehmen wir erneut das Beispiel Kolumbus. In Deutschland sind insgesamt 24 Straßen, Gassen und Plätze nach ihm benannt. In den Schulen lernen wir: Er hat die „Neue Welt entdeckt", den Weg in die Moderne bereitet und bewiesen, dass die Erde rund ist.
Schön… alle drei Informationen einfach… Falsch!

Vielmehr sollte es lauten: Kolumbus hat Gold gebraucht, um seinen geplanten Kreuzzug gegen Jerusalem zu finanzieren, wollte nach China zum großen Kaiser Khan – von dem Marco Polo berichtet hat, – war dabei total geblendet von Fabel- und Amazonenmythen, dass er immer das sah, was er sehen wollte und immer das „entdeckte‘" was er meinte zu „entdecken". Er hielt sich von Gott berufen, das Christentum über die gesamte Welt zu verbreiten – die Mittel dafür waren ihm relativ egal. Diese sogenannte „Neue Welt" war nicht neu. Sie wurde nicht „entdeckt", sie war schon da. Das Jahr 1492 stellt lediglich die Begegnung zweier Parteien dar, die davor nichts voneinander wussten, woraufhin die eine sofort Besitz von der anderen ergriff und sie zu ihrem Eigentum erklärte. Eben dort wird auch sein rassifiziertes Denken deutlich. Er sieht die indigene Bevölkerung automatisch als „unterwürfig", vergleicht sie mit Kindern und zeigt kein Interesse, sich mit deren Leben auseinanderzusetzen. Mit dem Anlegen der spanischen Schiffe fängt somit für den gesamten Kontinent Amerika eine Zeit der Ausbeutung, der Vernichtung und der Unterdrückung an. Die Mayas, Azteken und Inkas – alles drei Hochkulturen – wurden gewaltsam durch die spanischen Kolonisatoren ausgebeutet und unterdrückt. Bis heute sind die Folgen des Kolonialismus spürbar. Häufig werden trotzdem die scheinbar positiven Aspekte kolonialer Missionen hervorgehoben. Durch diese seien wichtige soziale Dienste wie Bildung und Gesundheitswesen eingeführt worden, die vor der Kolonisation unbekannt waren. Widersprüchlich… denn in den meisten Fällen wurden Gewalt sowie Zwangsmaßnahmen zur Missionierung und Kolonisierung eingesetzt.
 
Trotzdem wird Kolumbus für das „Entdecken" gefeiert, vor allem unter Menschen aus der „westlichen" Welt. Während er in Form von Straßennamen, Platznamen, Filmen, Musik, Literatur, Statuen & Co. verehrt und gewürdigt wird, werden die Konsequenzen seiner Ankunft jedoch ignoriert. Er selbst führte, während seinen Eroberungsreisen, Feldzüge gegen indigene Menschen, von denen dann über 500 als Sklaven nach Spanien geschifft wurden. Er betonte auch, dass die Könige so viele Sklaven bekommen könnten, wie sie nur begehrten. Also… Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, dass wir die Geschichte aus den Augen der Kolonisierer lernen? 
 
Kolumbus wollte nach Asien und jetzt ist er in so gut wie in jeder Großstadt. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, was es bedeutet, dass diese Person in unserer Gesellschaft nicht negativ konnotiert ist. Wir lernen den „vorzeigbaren" Teil in den Schulen, können wahrscheinlich noch die Namen der Kolumbus Schiffe aufzählen aber wissen nicht wer Moctezuma oder Atahualpa waren. 
 
Du möchtest wissen wo in Deutschland koloniale Rückstände vorzufinden sind? Hier erfährst du mehr: www.tearthisdown.com



Quellen:

  • Walter D. Mignolo: The Idea of Latin America. Malden: Blackwell Publishing, 2005.
  • Aníbal Quijano: Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika. Berlin: Turia + Kant, 2000.
  • Man nehme zum Beispiel die Weltkarte mit denen die meisten tagtäglich konfrontiert werden – die Mercator Projektion. Eine Weltkarte in der Europa immer im Zentrum abgebildet wird und flächenmäßig sehr groß ist, jedoch eine komplett falsche Darstellung was die Landmassen betrifft ist. link zum rumspielen mit der Peterson Projektion: www.thetruesize.com 
  • https://www.muenchen-transparent.de/dokumente/4067396 
  • Castro Varela María do Mar und Nikita Dhawan: Postkoloniale Theorie. Bielefeld: transcript Verlag, 2020.
  • Tzvetan Todorov: Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985.
  • Eduardo Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas. Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1971.
  • Erster Brief von Kolumbus, 1492


Du bist gegen die Verehrung von Kolumbus in unseren Städten? Hier ist eine Petition, die die Umbenennung des Kolumbusplatz in München bewirken soll: https://www.openpetition.de/petition/online/kolumbusplatz-strasse-umbenennen.

Dort findest du auch noch mehr Information und Hintergründe zu dem Thema.


 "Wir – CAMBIO – möchten im Rahmen des Projektes “Umbenennung des Kolumbusplatzes/-straße” zusammen mit Münchner Bürger:innen zur Aufarbeitung kolonialer Geschichte der Stadt beitragen. Dazu beabsichtigen wir, den Dialog über koloniale Straßennamen Münchens erneut ins Rollen zu bringen. Unser Ziel ist es, eine Umbenennung des Kolumbusplatzes/-straße sowie der dazugehörigen U-Bahnstation in die Wege zu leiten. Denn durch die bestehende Benennung wird Geschichte verherrlicht und idealisiert."

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