SPIELART|TheSexCongress

THE SEX CONGRESS | Bubblegum Club

Stella | 01.11.21


Die Zoom-Vorstellung von Bubblegum Club aus Johannesburg beginnt damit, dass angekündigt wird, eine moderierte Debatte über Sexarbeit führen zu wollen. Aufgezogen wie ein TV-Duell im US-Wahlkampf bekommen beide Performerinnen vom Moderator zunächst drei Minuten Redezeit. Die erste, Nkululeko, legt den klassischen abolitionistischen Ansatz dar: Sexarbeit ist unmittelbar mit dem Kapitalismus verbunden und ist ein traumatisches Thema, problematisch gerade auch wegen des Kapitalismus.


Sie erzählt, sie sei aufgrund von Armut in die Prostitution geraten, während ihre Gegnerin sich sichtlich langweilt. Sie führt genau die Hintergrundgeschichte aus, die sich vielleicht auch viele Leute vorstellen, wenn es um die Beweggründe für den Eintritt in die Sexarbeit geht. Danach ist die andere Kandidatin, Mbalz, dran. Sie vertritt einen ganz anderen Standpunkt: Sie mag ihre Arbeit als Sexworkerin und findet sie wichtig, hat auch eine ganz andere Hintergrundgeschichte als Nkululeko. Ihr Hauptargument ist, dass Sexarbeit schon immer existiert hat und dass Erotik auch Macht bedeuten kann, nur dass sie von Männern und dem Patriarchat als Kontrollinstanz missbraucht wird. Daher fordert sie die Entkriminalisierung und Zelebrierung der Sexarbeit, um auf lange Sicht das Patriarchat zu stürzen. 

Der Moderator steht seiner Reaktion nach zu urteilen klar auf Mbalz Seite, er dankt ihr überschwänglich, während er Nkululeko eher abwürgt. Nach einem persönlichen Statement der beiden Kandidatinnen wird die Runde scheinbar für Fragen geöffnet und ein “Zuschauer” meldet sich zu Wort. Er ist weiß, dem Akzent nach zu urteilen deutsch und redet hauptsächlich darüber, dass er sich in Afrika wahnsinnig integriert fühlt, er habe in einem Auslandsjahr eine Verbindung zum Land aufgebaut. Nkululeko kritisiert ihn sofort aufgrund von White Liberalism und White Saviorism, was der Moderator aber nicht weiter zulässt. Schließlich wird eine Umfrageoption für die Zuschauer*innen eingeblendet, bei der man für eine der beiden Kandidatinnen stimmen soll.


Im Hintergrund laufen derweil Statements von geblurrten Menschen, die von Sexarbeit erzählen. Es wird nicht klargemacht, ob sie echte Sexworker*innen sind, dem Konzept der Debatte und den Spenden an Sexworker*innen nach zu urteilen scheint das aber wahrscheinlich. Nach der Umfrage kündigt der Moderator an, auf die globalen Abstimmungsergebnisse warten zu müssen. Während wir also auf die Ergebnisse warten, läuft im Hintergrund WAP von Cardi B, bis das Meeting abrupt beendet wird. Die Diskussion kann also auch diesen Abend nicht geklärt werden.


The Sex Congress funktioniert aufgrund der schlichten Inszenierung über Zoom gut, es gibt keine unnötigen Elemente über verschiedene Kacheln, sondern man wird einfach Zeug*in einer Diskussion über Sexarbeit, die doch auch zum Nachdenken anregt. Für mich persönlich hätte ein bisschen mehr Tiefe in den beiden Standpunkten gutgetan, da es eher die “typische” Diskussion bzgl. Sexarbeit (also abschaffen vs. entkriminalisieren) ist und das Thema m.E. eher anreißt als es wirklich zu diskutieren, ich lebe aber auch in einer Bubble, in der das Thema nicht unbekannt ist und bei knapp 30 Min. Vorstellungszeit passt auch nicht viel Detail rein. Der Haltung des Moderators und der generellen Inszenierung der beiden Diskutantinnen nach zu urteilen scheint Bubblegum Club sich für eine versiertere Behandlung des Themas auszusprechen, anstatt Sexarbeit einfach abzuschaffen und weiter zu kriminalisieren, was m.E. auch die realistischere Variante ist. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass uns als Zuschauer*innen noch mehr der Spiegel vorgehalten und mehr zum Nachdenken angeregt wird, mich als Feministin haben die Diskussionspunkte so nicht überrascht und ich hätte mich über neuen Input gefreut. 

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