SPIELART|Dilation

DILATION   Esther Kamba © Tobias Zangl 

DILATION | Esther Kamba

Stella | 03.11.21

Die One-Woman-Performance von Esther Kamba beginnt mit ihr in der Mitte einer ziemlich kleinen Fläche, um die Sitzsäcke und Stühle aufgestellt sind. Die ganze Atmosphäre ist recht gemütlich und viele Zuschauer*innen fläzen sich auch direkt auf die Sitzsäcke.

Die Performance illustriert auf berührende Weise die verschiedenen Schritte eines Lebens von Kindheit zu Mutterschaft, beginnend mit Fragen wie “am I going to die a virgin?” und Desorientierung, sie scheint nach einem Sinn des Lebens zu suchen. Ist die Stimmung am Anfang mit Hüpfkästchen und Springseil noch relativ unbeschwert (auch wenn die einbezogene Zuschauerin das Springseil weder schwingt noch wieder rausrückt), wird sie immer wieder mit Audioeinspielungen unterbrochen, die essentielle Fragen wie “who is”, “are you hoping for joy” “are you wishing for love” stellen. Sie scheint nicht so recht zu wissen, wo sie hinsoll. Als Phrasen wie “Home is corruption, betrayal, battles fought on African babies, home is a noose around my being” fallen, frage ich mich, was genau der Aspekt ist, der sie so zu erdrücken scheint. Es ist ein konstantes Auf und Ab, sortiert sie zuerst noch zu anzüglichen Audiokommentaren Stofffetzen, spielt sie im nächsten Moment schon wieder mit Seifenblasen.

 Ich fühle mich fast voyeuristisch, ihr gemütlich sitzend dabei zuzuschauen, wie sie um Anteilnahme bittet

Die abrupten Stimmungswechsel stimmen extrem nachdenklich und sorgen vor allem dafür, dass man keine einzige Sekunde lang abschaltet. 

Nach einer Geschichte über eine Gazelle, die im verbotenen Wald auf der Suche nach einem aufregenderen Leben dem betrügerischen Wind auf den Leim geht und schließlich alleine für immer dort gefangen bleiben muss, verändert sich die Stimmung schließlich doch zum ziemlich bedrückenden, zumindest für mich. Die Performance baut generell sehr auf Bewegung und Körper. Als Kamba anfängt, sich über die Bühne zu rollen und schließlich immer wieder zusammenzuzucken, scheint sie Schmerzen zu haben und von einer unsichtbaren Kraft herumgerissen zu werden. Darauf fängt sie an, die Stofffetzen ans Publikum zu verteilen und fragt dabei “will you hold my pain” bzw. “who holds your/his/her pain”. Und sie verteilt viel Stoff. Ich fühle mich fast voyeuristisch, ihr gemütlich sitzend dabei zuzuschauen, wie sie um Anteilnahme bittet, dabei hocke ich zumindest auf einem Stuhl und nicht auf einem Sitzsack. Ich habe aber irgendwie das Gefühl, dass das auch genau der Punkt ist. Wir können ihre Erlebnisse nicht nachvollziehen, im Endeffekt bleibt sie mit ihrem Schmerz allein. 

Sie bedeckt sich, kauert sich zusammen, während ein Audio voller Flüstern läuft, was etwas ziemlich horrormäßiges hat, packt dann schließlich die auf der Bühne verbliebenen Stofffetzen in ihren Sack und geht. Als Babygeschrei eingespielt wird, kommt sie zurück, wirkt aber wie erstarrt, kann nicht reagieren. Zum rhythmischen “the womb it carries your/his/her pain” zieht sie den Sack hinter sich her, sie trägt den ganzen Schmerz alleine, kann ihn nicht mal hochheben. Die Performance endet damit, dass sie den Sack wie ein Baby hochnimmt und sich an den Rand setzt. Es scheint fast versöhnlich und sie bietet während des Applauses an, dass wir ihren Schmerz gerne behalten oder aber auch zurückgeben können und es scheinen tatsächlich einige ihre Stofffetzen zu behalten. Der Sack in Kambas Arm ist eh noch ziemlich voll. 


Ich fand die Performance ziemlich berührend und habe noch lange weiter darüber nachgedacht und versucht, die Links zu Mutterschaft, Geburt und Trauma zu verstehen. Auf jeden Fall ist gerade das minimalistische Element das, was die Performance so stark gemacht hat. Indem Kamba komplett bei sich bleibt wirkt das Ganze unglaublich intim, hält einen dabei und gibt einem den Eindruck, besonders nah an dieser Thematik zu sein, während man sie doch nicht wirklich durchsteigt. Definitiv beeindruckende Performance. 

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