ein Text von
Miriam Werny | 05.04.23
Disclaimer: In diesem Beitrag ist von “Männern” und “Frauen” die Rede. Dies liegt daran, dass die Studien, auf die sich bezogen wird, diese Unterteilung vornehmen, allerdings spiegelt die Sprache nicht die Haltung der BUUH! zu geschlechtssensibler Sprache bzw. den Vorstellungen von Gender wider und wir bedauern sehr, damit Geschlechterbinarität zu reproduzieren.
Schon lange ist bekannt, dass die Folgen des Klimawandels keineswegs geschlechtsneutral sind. Männer und Frauen erfahren diese unterschiedlich intensiv –
Frauen sind aufgrund ihrer Stellung an unterster Stufe der sozialen Hierarchie tendenziell stärker durch den Klimawandel benachteiligt.
Laut der World Health Organization (WHO) sterben Frauen durchschnittlich bis zu 14-mal häufiger aufgrund von Umweltkatastrophen als Männer.
Auch haben Frauen und Mädchen weniger Zugriff auf Bildung und Ressourcen, sind einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt und häufig von Politik und Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Schon jetzt führen die Auswirkungen des Klimawandels zu einer Verschärfung bereits bestehender Ungleichheiten.
(Das heißt auch: Je mehr Dimensionen der Diskriminierung sich hier überlagern, desto heftiger sind die Folgen des Klimawandels. Sprich: Auch wenn hier “Frauen” steht, weil sich auf Studien bezogen wird, in denen nur “Männer” und “Frauen” befragt werden, sind Personen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, logischerweise auch stärker von den Folgen getroffen.)
Neben den Folgen sind jedoch bereits die Wahrnehmung sowie der Grad der Besorgnis gegendert. Eine Umfrage aus den USA zeigt, dass Frauen den Klimawandel als ein sehr ernsthaftes Problem ansehen und vergleichsweise besorgter sind, persönlich durch Auswirkungen der Erderwärmung geschädigt zu werden. Wenig verwunderlich verdeutlicht dieselbe Studie, dass Frauen gleichzeitig eher dazu bereit sind, ihren Konsum und Lebensstil anzupassen, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Denkt man kurz an den Wahlkampf vor der letzten Bundeswahl zurück, taucht sofort das omnipräsente Diskussionsthema auf: individueller Konsum. Kaum ein Aspekt wurde und wird derart erhitzt besprochen. Und dies nicht völlig zu Unrecht: Eine Studie aus dem Jahr 2015 stellte fest, dass privater Verbrauch mehr als 60% der Treibhausgasemissionen beiträgt. Allerdings taucht in keiner Debatte auf, dass es beim Konsum geschlechtsspezifische Unterschiede gibt, da Geschlecht und Konsumverhalten miteinander verwoben sind. Einer Studie zufolge werden in OECD-Ländern über 80% der Konsumentscheidungen im Haushalt von Frauen getroffen. Sie sind es also, die maßgeblich die Treibhausgasemissionen im Haushalt kontrollieren. In den letzten Jahren wurde auch immer deutlicher, dass Frauen zu nachhaltigerem Konsum bereit sind, bspw. indem sie Lebensmittel mit Öko-Label kaufen oder energieeffizienter konsumieren als Männer. Außerdem sind sie geneigter, ihren persönlichen Lebensstil zu ändern und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen, während Männer eher auf die Verantwortung der Industrie und der Regierungen verweisen. Konkrete Beispiele liefert die jüngste Eurobarometer-Umfrage: Frauen kaufen und konsumieren weniger Fleisch, sie kaufen häufiger Bio-Lebensmittel und sind bemühter, ihren Abfall sowie den Verbrauch von Einwegartikeln zu reduzieren. Auch im politischen Konsumverhalten, sprich der gezielte Boykott oder Kauf von Marken und Produkten, sind Frauen aktiver als Männer. Alles in allem steigert sich durch die summierten Erkenntnisse der Einfluss auf die Emissionen im Haushalt und wie nachhaltig der Konsum ist.
Aber was genau bedeutet das jetzt für uns? Erstens: Konsum ist ein Gamechanger in der Klimakrise. Zweitens: Geschlechter spielen eine Rolle - ganz gleich, ob es um die Sorge um den Klimawandel oder darum geht, den Lebensstil und Konsum nachhaltiger zu gestalten. Wir müssen also beide Faktoren berücksichtigen, wenn wir erfolgreiche Maßnahmen gegen die Klimakrise ergreifen wollen. Was bereits zur nächsten Frage führt: Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?
Ein Ansatz will Frauen stärker in die verschiedenen Gremien zum Klimawandel, die Politik und verschiedene Prozesse zur Lösungsfindung einbeziehen. In der Hoffnung, dass eine genuin andere Sicht- und Herangehensweise zu kreativen Lösungen führen könnte.
Ein weiterer Ansatz will Männer stärker an den Haushaltsentscheidungen beteiligen, so dass sie mehr Gespür für nachhaltige Kaufentscheidungen bekommen. Das lässt sich allerdings nicht leicht durch politische Maßnahmen umsetzen, da dazu auch Geschlechterstereotypen und patriarchale Strukturen aufgebrochen werden müssen. Stattdessen hat sich der Fokus auf Kinder und junge Erwachsene bewährt, da die jüngere Generation bereits eine höhere Bereitschaft zeigt, Geschlechterstereotypen aufzubrechen und den Klimawandel zu bekämpfen. Australien schreitet hier als Vorreiter voran: Junge Australier*innen werden dazu ermutigt, nachhaltiger zu konsumieren und ihnen werden konkrete Techniken dafür an die Hand gegeben, wodurch klimafreundliches Verhalten in der breiteren Gesellschaft gefördert werden soll.
Auf einer allgemeineren Ebene bedeutet das auch, dass es kein Nacheinander bei der Bekämpfung des Klimawandels und Ungleichheiten geben darf. Wir können diese Problemherde nicht voneinander trennen - während wir Lösungen für die Klimakrise suchen, müssen wir gleichzeitig auch die patriarchalen Strukturen aufbrechen. Denn letztendlich wollen Feminismus und Klimaaktivismus das Gleiche: gesellschaftliche Denkweisen und wirtschaftliches Verhalten hinterfragen und ändern - hin zu einem gerechteren, klimafreundlicheren Konsum.
Je mehr wir über die für den Klimawandel wichtigen Faktoren wie Geschlecht und Konsum herausfinden, desto besser können wir diese auch nutzen, um Lösungen zu finden, Maßnahmen zu ergreifen und hoffentlich eine Welt zu schaffen, in der wir weiterhin leben können. Wir müssen beginnen, die Klimakrise als Krise der Gerechtigkeit zu begreifen und Intersektionalität auch hier mit zu denken.
QUELLEN:
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