SPIELART|Cherrytrees

(Somewhere) Beyond the Cherry Trees I Prodromos Tsinikoris

Dunja | 05.11.21


Tatsächlich war meine erste Assoziationskette bei diesem Titel folgende: Cherry Trees - Kirschbäume - Kirschgarten - Tschechow. Dies mag einerseits an meinem theaterwissenschaftlichen Studium, andererseits an meiner persönlichen Vorliebe für die Dramen von Anton Tschechow und für Kirschblütenbäume liegen. Das ich mit meinem ersten Gefühl genau richtig lag und das Stück von Prodromos Tsinikoris auf Tschechows Kirschgarten basiert, erhöhte meine Vorfreude auf die Aufführung noch einmal.

Und ich wurde nicht enttäuscht: Der Regisseur Prodromos Tsinikoris spielte selbst mit, an seiner Seite ein Ensemble an griechischen Schauspieler*innen aus Athen. Die Aufführung war komplett in griechischer Sprache und wurde durch deutsche sowie englische Übertitel ergänzt. Die Dramaturgie des Stückes war, vor allem für all jene denen das Original des Kirschgartens bekannt ist, spannend und geschickt gemacht: Die Hauptfiguren von Tschechow beginnen ganz nach ihrer ursprünglichen Vorlage die Handlung (eine einstmals wohlhabende Familie muss ihr Anwesen mit dem anliegenden großen Kirschgarten verkaufen, da sie kurz vor dem bankrott stehen) und Enden in der heutigen realen Situation vieler Griech*innen (der Garten wird verkauft und es werden Air Bnbs darauf gebaut, die Familie muss in die Stadt ziehen und dort neue Arbeit finden).

Hiermit wollte der Regisseur Aufmerksamkeit auf das Tourismusproblem in Athen lenken; die Einheimischen unterliegen der Branche beinahe komplett, auf dem Wohnungsmarkt eine mehr als gespannte Lage, die Armut steigt.

Nicht nur die reale Drastik dieses Problems wird durch die Inszenierung vermittelt; sondern auch durch die Ästhetik des Bühnen- und Kostümbilds unterstützt. Das Familienhaus zum Beispiel lässt sich dekonstruieren, indem die Seitenwände abgenommen und und die inneren Räumlichkeiten auf einer Schiene zur Seite geschoben werden können. Am Ende bleibt nichts mehr vom Haus und vom Kirschgarten übrig. Am Ende des Stückes erzählen die Figuren über ihre neuen Wohn- und Arbeitsverhältnisse in der Stadt. Und zumindest ein Teil der Beschreibungen sollte dem Publikum zum Großteil bekannt vorkommen: Teure Hotels mit veganem Frühstücksbuffet, günstige Ferienwohnungen, per App leicht organisierter Urlaub. Die Tourismusbranche bietet viele Arbeitsplätze und Touristen einen schönen Aufenthalt, aber wie es den Einheimischen und Angestellten geht…sollten wir auf unserer Publikums/Urlaubs/Genuss-Seite hinterfragen. Und gerade nach dieser Inszenierung.

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