Um was genau geht es denn bei euren beiden Projekten? Was ist das Neue daran?
Stella:
Am ehesten könnte man es vielleicht unterteilen in Utopie und Dystopie. Aber das trifft es eigentlich auch nicht ganz. Das Care-Video reproduziert erst einmal etwas, das in der Gesellschaft als positiv angesehen wird. Dieses Pflegen und kümmer dich um dich selbst und schau nach deinem Körper! Was aber am Ende nicht empowernd ist, sondern eher Sorge auslöst, was Care ja auch ist. Das Video darf Zweifel an diesen Körperpflegekulten auslösen. Bei weiblich gelesenen Nippeln haben wir als Erstes an das Auszupfen von Nippelhaaren gedacht. Dort wird einem bewusst, wie absurd das ist, dass man an dieser super feinen Haut da rumdoktort. Die Fotos sollen eher etwas Empowerndes haben…
Mai:
Aber auch etwas Ironisches! In den letzten Jahren wurden ja auch super viele feministische Debatten über Haare an weiblich gelesenen Körpern geführt. Wir wollten dadurch auch zeigen, wie sehr der Nippel als Symbol auch durch Binarität geprägt ist. Es ist ja alleine schon immer eine politische Entscheidung, ob er gezeigt wird oder nicht – wie auf Instagram zum Beispiel. Wir überspitzen, um zu zeigen: Wo ist Haar, das historisch geprägt ist, wo es Stile und Merkmale und Codes gibt? Und wo ist Haar, das wir verstecken oder entfernen?
Stella:
Wir wollten die Schönheitsideale, die man eher beim Kopf oder den Wimpern hat, an so eine Stelle setzen, wo wir sagen: “Da wollen wir aber keine Haare haben.” Wir wollten zeigen, wie prächtig das auch da aussehen kann.
Bei euren Shootings hat ja aber nicht nur das Endkunstwerk eine politische Message, sondern ihr wollt ja auch währenddessen einen Safer Space kreieren… Wie macht ihr das?
Mai:
Ich glaube, sehr sehr viel reden und sehr viel Kommunikation. Erst mal unter uns, aber dann natürlich auch mit allen Menschen, die dann dazu kommen. Auch immer wieder nachfragen, womit sich die Leute wohl fühlen und auch sagen: “Es ist ok, wenn sich da währenddessen etwas ändert.”
Stella:
Und auch sich immer wieder gegenseitig auf Aspekte aufmerksam machen. Manchmal denkt man selbst so in eine Richtung und ist sich mancher Problematiken gar nicht bewusst. Im Gespräch handeln wir aus: “Wie gehen wir damit um, dass das passiert ist, oder wenn das passieren könnte?”
Mai:
Ich hoffe auch offen zu sein für Leute, die uns darauf aufmerksam machen, dass noch etwas verändert werden könnte, um sich wohler zu fühlen. Dass man nicht nur von Konsens spricht, sondern auch wirklich konkret umsetzt und bereit ist, Kritik anzunehmen und zuzuhören.
Stella:
Gerade bei so einem intimen Shooting ist es wichtig einmal zu sagen, dass man offen für Kritik ist – aber nicht nur da. Man kann überall Grenzen überschreiten.