TinderundCo

L hoch 3: Alle zwei Sekunden swiped ein Single auf Tinder... oder so ähnlich


Stella | 28.01.21


Tinder, Bumble, Lovoo, HER, Grindr… Dating-Apps sind allgegenwärtig und in jedem Umfeld scheint es mindestens eine Person zu geben, die eine oder mehrere dieser Apps bereits verwendet hat. Mittlerweile wächst auch das Angebot an Dating Apps, die eben gerade nicht nach dem Tinder-Prinzip funktionieren sollen. Der Markt ist riesig. Genauso riesig sind aber die verschiedenen Meinungen dazu. 

Das Gehirn braucht nur eine Zehntelsekunde, um ein Urteil über sein Gegenüber zu fällen.

Gerade Tinder und Co. werden immer wieder dafür kritisiert, dass es nur oberflächliches Geswipe sei, was im Endeffekt nur auf einen One-Night-Stand nach dem nächsten hinausläuft . Aber inwieweit stimmt das?

So einfach lässt sich die Frage nach Oberflächlichkeit meiner Meinung nach nicht beantworten. Ich persönlich nutze trotz meines Single as a Pringle - Daseins keinerlei Dating-Apps. Irgendwie behagt mir der Gedanke nicht so ganz, mich vorrangig nach dem Äußeren beurteilen zu lassen und demnach als datebar oder nicht eingestuft zu werden. Ich nutze aus ganz ähnlichen Gründen nicht einmal Instagram. Ob meine Sicht auf Tinder und Co.  überhaupt gerechtfertigt ist, habe ich aber nie weiter hinterfragt.

Das Gehirn braucht nur eine Zehntelsekunde, um ein Urteil über sein Gegenüber zu fällen. Das ist nicht viel Zeit, um Eindruck zu machen. Und da wir im Grunde alle Tiere sind, überrascht es nicht besonders, dass vier von fünf maßgeblichen Faktoren, die dazu beitragen, wie man sein Gegenüber denn jetzt findet, vom physischen Aufeinandertreffen abhängen: Geruch, Mimik und Körpersprache, Augenkontakt, und Stimme. Der fünfte Punkt ist - Überraschung - das Aussehen. Virtuell fallen schon mal vier von fünf Punkten weg oder werden extrem eingeschränkt.
Man könnte jetzt argumentieren, dass allein deshalb Dating Apps zum Scheitern verurteilt sind. Dennoch lerne ich aber immer wieder Menschen kennen, die ihren Partner oder ihre Partnerin über Dating Apps kennengelernt haben und teils auch langanhaltende Beziehungen führen. So einfach funktioniert es also dann doch nicht. Aber der erste Eindruck macht auf jeden Fall einen großen Teil aus.

Ist deshalb das Swipe System so erfolgreich? Weil es das Prinzip des ersten Eindrucks adaptiert? Ein paar Bilder, Angaben zu Beruf, Geschlecht und sexueller Orientierung und eine Kurzbio, auf der man in wenigen Worten etwas über sich selbst erzählen kann, das war’s. Sarah Berger, Autorin des Buchs Match Deleted. Tinder Shorts, begründet den Erfolg der titelgebenden App damit, dass uns die App erlaubt, oberflächlich zu sein und man keinen besonderen Zeitaufwand in die Partnersuche investieren muss.


Aber gerade der geringe Zeitaufwand, das Prinzip des ersten Eindrucks und die Masse an Nutzer*innen können auch den massiven Druck erzeugen, aus diesem Meer an Profilen rausstechen zu müssen. Denn egal, ob man selbst der Oberflächlichkeitsdiskussion zustimmt oder nicht, es gibt immer wieder Befragungen, die zeigen, dass das äußerliche Erscheinungsbild auf Dating-Apps wie Tinder eben doch maßgeblich für Rechtsswipes ist.


Eine Befragte bekennt aber auch knallhart, dass sie sich die weiteren Bilder gar nicht erst anschaut, wenn das erste "superhässlich" ist.

 Bei Männern (Disclaimer: bei der entsprechenden Quelle handelte es sich ausschließlich um heterosexuelle Cis-Männer!) kommen anscheinend Pseudo-Modelfotos weniger gut an, dafür aber Bilder, die zeigen, dass die Person rumgekommen ist (Fotos von Reisen), Bilder, die die Person sympathisch und authentisch wirken lassen, Haustiere kommen gut an, Bilder, die auf ein interessantes Leben hindeuten, aber gleichzeitig Bilder, die nicht komplett auf Selbstdarstellung schließen lassen und nicht zu gestellt wirken…

Bei Frauen wiederum punkten ebenfalls nicht gestellt wirkende Bilder. Sauffotos, Oben-Ohne Bilder und eingebildetes Posing vermitteln dagegen eher einen negativen Eindruck  Eine Befragte bekennt aber auch knallhart, dass sie sich die weiteren Bilder gar nicht erst anschaut, wenn das erste “superhässlich” ist. Abgesehen von den Bildern wird schon auch über die Bios geredet, dass 0815-Zitate von Dichter*innen und Denker*innen schnell langweilig werden, “außergewöhnlichere” Bezeichnungen wie Feministin etc. aber Gesprächsstoff bieten, dass versucht wird, aus Hobbys in der Bio einen Aufschluss über die Persönlichkeit zu bekommen und so weiter. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass die Optik doch eine sehr große Rolle spielt. Das sind jetzt ganz schön viele Kriterien, die man da möglichst auf ein paar Bildern und 500 Zeichen erfüllen soll, um Matches zu kriegen. Erzeugt das nun Druck oder nicht?

Vielleicht unbewusst. Ich denke, da sind auch alle Leute unterschiedlich. Ich habe mich in meinem Bekanntenkreis umgehört und mir wurde erzählt, dass schon darauf geachtet wird, möglichst gute Bilder von sich hineinzustellen (was meines Erachtens kein Online-Dating-Phänomen, sondern auch auf Social Media Plattformen wie Instagram wiederzufinden ist) und sie auch häufiger zu wechseln, um zu schauen, ob das einen Unterschied macht. Andere haben mir erzählt, dass sie die ganze Online-Dating Erfahrung total unangenehm fanden, gerade weil sie das Gefühl hatten, sich auf dem Fleischmarkt zu befinden. Ein weiterer Bekannter von mir hat ganz trocken gesagt, man könne Tinder durchaus dazu benutzen, seinen Marktwert kennenzulernen. Andere wiederum meinen, sie hätten solche Gedanken gar nicht gehabt. Aber Menschen sind nun mal unterschiedlich. So pauschal schwarz und weiß (oder passend zu Tinder rechts und links?) lässt sich da keine Aussage treffen.

Was kann ich jetzt dazu sagen? Im Allgemeinen kann ich weder von Dating Apps abraten, noch sie empfehlen, selbst wenn ich sie ausprobieren würde. Wenn ich aber für mich selbst spreche, reizt es mich nach wie vor nicht, eine dieser Plattformen zu testen.  Der Gedanke, komplett nach seinem Äußeren beurteilt zu werden, ist auf jeden Fall nicht unberechtigt und das damit verbundene Unwohlsein auch nicht. Ob man damit klarkommt oder nicht, muss meines Erachtens jeder selbst entscheiden. Für manche funktioniert’s, für manche nicht. Und das ist ok so. 




Quellen:

https://www.vice.com/de/article/7bqgmy/wir-haben-frauen-gefragt-wofuer-sie-bei-tinder-likes-verteilen

https://www.vice.com/de/article/7bjz3y/wir-haben-maenner-gefragt-wie-sie-tindern

https://www.jetzt.de/digital/sarah-berger-erzaehlt-in-ihrem-buch-match-deleted-tinder-shorts-von-ihren-tinder-erlebnissen

https://www.parship.de/ratgeber/verabreden/erster-eindruck/

https://www.faz.net/aktuell/wissen/studie-zeigt-online-dating-muss-nicht-oberflaechlich-sein-17130937.html

https://www.spiegel.de/partnerschaft/dating-warum-tinder-oft-so-anstrengend-ist-und-was-dagegen-hilft-a-8b9c995d-5aef-455f-a0a8-f7f841926f4f

https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article114446800/Der-erste-Eindruck-bleibt-weil-er-stimmt.html

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