Jules | 02.04.2021
Wenn wir das Wort „Rausch“ hören, woran denken wir dann? Alkohol? Drogen? Betäubung? Bei dem Adjektiv „berauschend“, fließen die Gedanken oft in eine andere Richtung. Vielleicht denken wir auch an Alkohol, vielleicht aber auch an Sport, an einen geselligen Abend mit Partner*in oder an ein zum Tanzen motivierendes Konzert der Lieblingsband. Ein „Rausch“ bezeichnet offiziell einen Zustand, in dem ein intensives Glücksgefühl entsteht, das die normale Gefühlslage übersteigert (1). Das klingt doch wunderschön. Und trotzdem gilt Rausch in unserer Gesellschaft oft als etwas Negatives, etwas, was dich vom wirklich Wichtigen „ablenkt“, dir bei übermäßigem Konsum Chancen verbaut oder dich krank macht.
Passiert etwas Schönes, werden verschiedene Botenstoffe im Gehirn freigesetzt, darunter Neurotransmitter, wie Dopamin und Serotonin, und Endorphine. Diese Stoffe regen eine Vielzahl weiterer Reaktionen an und aktivieren bestimmte Hirnareale. Der Körper reagiert dann oft mit der Unterdrückung von Schmerzreizen und gesenktem Blutdruck - einfach gesagt: man wird physisch entspannter. Psychische Folgen sind Motivationssteigerung, Reduktion von Stressgefühlen, und kurzum: Glücksgefühle. Und die sind unglaublich intensiv und rücken alle anderen Empfindungen schnell mal in den Schatten. Das hat auch ein Experiment mit Ratten gezeigt, bei dem man den Tieren die Möglichkeit gab, über einen Knopf genau dieses Glücksgefühl künstlich zu erzeugen. Davon wurden die Ratten süchtig. Sie waren so damit beschäftigt, das nächste Glücksgefühl zu spüren, dass sie fast verhungert und verdurstet wären (2). Genauso ist auch das menschliche Gehirn nicht dafür gemacht, auf Dauer Glück zu fühlen.
Durch die Einnahme bestimmter Drogen, wie zum Beispiel LSD oder Opiaten, können wir Menschen ganz gezielt ein sehr intensives Glücksgefühl erzeugen. Dabei werden – abhängig von der Art der Droge – unterschiedliche Neurotransmitter in hoher Konzentration ausgeschüttet. Verschiedene neuronale Netzwerke werden aktiviert, der Puls erhöht sich, die Pupillen weiten sich, Euphorie wird spürbar. Das Problem: das Gehirn hat nur einen begrenzten Speicher dieser Neurotransmitter und die Neusynthese dauert. Der konsumierende Mensch leert also seinen ganzen Speicher auf einen Schlag für diesen einen berauschenden Moment – und hat am nächsten Morgen keine dieser Neurotransmitter mehr übrig. Das obligatorische „down“ folgt und die Gefahr einer dauerhaften Depression steigt.
Es geht aber auch einfacher und klassische Drogen sind eher der Extremfall. Körperlicher Kontakt, Joggen und viele alltägliche Substanzen haben berauschende Wirkungen: unter anderem Koffein im Kaffee am Morgen, Nikotin in der Zigarette zwischendurch, Myristicin der Muskatnuss im Eintopf oder Schlafmittel. Und nicht nur wir Menschen erfreuen uns dem Kick des Glücksgefühls. Asiatische Baumspitzhörnchen trinken zum Beispiel ganz gerne mal Palmnektar. Und zwar so viel, dass es mit einem Menschen, der täglich 12 Gläser Wein trinkt, vergleichbar wäre. Seidenschwänze futtern oft so viele Vogelbeeren, dass sie danach nicht mehr gerade aus fliegen können und manche Lemurenarten dröhnen sich mit Tausendfüßern zu (3).
Es ist also wohl ganz natürlich, dass wir ein berauschendes Gefühl ersehnen. Rausch an sich ist weder gut noch böse. Ohne Drogen verherrlichen zu wollen - und auch ohne Drogen überhaupt zu konsumieren, kann die Intensität eines Rausches für einen persönlich etwas sehr erstrebenswertes sein. Problematisch wird es dann, wenn Räusche erzwungen werden, egal ob durch einen selbst oder durch eine Gruppe. Und mit unter anderem 1,6 Millionen Alkoholsüchtigen in Deutschland (4) ist das nun mal kein seltener Fall. In unserem BUUH!-Themenmonat April geht es uns aber weder darum Menschen zu verurteilen, die sich gerne mit welchen Mitteln auch immer berauschen, noch wollen wir den Rausch glorifizieren. Aber uns ist es wichtig, ihn zu thematisieren.
Fußnoten:
(1) Duden | Rausch | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. https://www.duden.de/rechtschreibung/Rausch.
(2) Psychologie: Glück - Psychologie - Gesellschaft - Planet Wissen. https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/glueck/index.html.
(3) Drogen: Rausch im Tierreich - Spektrum der Wissenschaft. https://www.spektrum.de/wissen/rausch-im-tierreich/1528317.
(4 )https://docs.google.com/document/d/1ZQvad6mNLVr8c_LMCkLUUnrGEqZCWudvkMTWAcnTO4U/edit?usp=sharing