Stella | 13.05.2021
Einige Menschen auf der Welt versuchen daher, nicht nur ihren Plastikmüll, sondern generell sämtlichen Müll radikal zu reduzieren. Die Bewegung nennt sich Zero-Waste. Ganz oben auf der Liste steht die Vermeidung von Plastik, aber generell allem, was nicht kompostiert oder zuverlässig recycelt werden kann, also auch z.B. Dosen, Gummi etc. Es gibt viele Webseiten, Bücher und Influencer*innen zu dem Thema, die predigen, Zero Waste sei gar nicht so schwierig. Aber stimmt das?
In Deutschland wurden 2018 knapp 417,2 Millionen Tonnen Abfall produziert, davon knapp 30 % Haushaltsmüll (Verpackungen, Sperrmüll, Gartenabfälle etc.). Das sind knapp 535 kg Müll im Jahr pro Kopf. An Verpackungsmüll wiederum warf der/die Durchschnittsdeutsche 2019 73 Kilogramm weg, Tendenz steigend. Klingt im Vergleich zu der Gesamtmüllmenge jetzt erst mal wenig, aber wenn man bedenkt, dass Plastik generell sehr wenig wiegt, lässt einen das nur grob erahnen, welche Massen an Plastik das sind. Ganze 1,05 Millionen Tonnen Plastik wurden 2019 ins Ausland exportiert, anstatt hier recycelt zu werden. Dazu kommt, dass nur knapp 40% des deutschen Plastikmülls wiederverwertet wird. Und damit stehen wir im internationalen Vergleich noch gut da. Einige Menschen auf der Welt versuchen daher, nicht nur ihren Plastikmüll, sondern generell sämtlichen Müll radikal zu reduzieren. Die Bewegung nennt sich Zero-Waste. Ganz oben auf der Liste steht die Vermeidung von Plastik, aber generell allem, was nicht kompostiert oder zuverlässig recycelt werden kann, also auch z.B. Dosen, Gummi etc. Es gibt viele Webseiten, Bücher und Influencer*innen zu dem Thema, die predigen, Zero Waste sei gar nicht so schwierig. Aber stimmt das?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Jein. Ich versuche jetzt seit knapp drei Jahren, möglichst alles an Plastik zu vermeiden, was geht. Und trotzdem: Ich lebe nicht plastikfrei (und auch nicht Zero-Waste). Ich bin Studentin, habe diesbezüglich einen mal mehr, mal weniger straffen Zeitplan und nicht besonders viel Geld zur Verfügung. Beim Essen ist es noch das geringste Problem. Ich esse weder Fleisch noch Fisch, lebe weitgehend vegan und mache z.B. meine Hafermilch selbst, anstatt sie im Tetrapak zu kaufen. Das geht gut und erfordert wenig Aufwand, genauso wie andere banale Dinge (eigene Tasche statt Plastiktüte, keine To-Go Becher etc.). Aber trotzdem gibt es Artikel, die ich einfach nicht ohne Plastik kriege, wenn ich nicht in den Unverpacktladen will, z.B. Klopapier, Broccoli aus dem Supermarkt (wenn ich es nicht zum Gemüsestand schaffe) oder Produkte aus dem Asia-Laden. Der Grund, warum ich nicht in den Unverpacktladen gehe: Vieles dort ist schweineteuer. Und das zeigt meines Erachtens eins der großen Probleme des nachhaltigen Lebens auf: es ist immer noch ein Privileg. Das ist nicht darauf begründet, dass verpacktes Essen billiger wäre. Es geht mehr um den Zeitaufwand, vor den einen die Gesellschaft stellt und, schlimmer noch, die unnötige Verteuerung scheinbar nachhaltiger Produkte, wie z.B. wiederverwendbaren Make-Up-Entfernern. Mit Nachhaltigkeit ist irre viel Geld zu machen.
Lauren Singer z.B. ist eine DER Zero-Waste Ikonen. Sie sammelt ihren Müll in einem Schraubglas und hat ein Business gestartet, das sich mit Zero-Waste Produkten beschäftigt. Ich finde es bewundernswert, dass sie diesen Lifestyle so gut lebt und auch, was sie sich aufgebaut hat. Aber ich finde es auch zu kritisieren, dass erstens nicht gezeigt wird, dass nicht all ihr Müll in ihrem Glas landet: Kondome z.B. nicht, Klopapier nicht (wobei sie mittlerweile nach eigener Aussage auf ein Bidet umgestiegen ist). Und das ist ja auch gut so. Aber dass dieser Müll trotzdem produziert wird, fällt hinten runter und setzt eventuell Leute unter Druck, die dann das Gefühl kriegen, es nicht “richtig” zu machen. Genauso wird sich nicht damit beschäftigt, dass trotz der Nachhaltigkeit der Produkte ein Online-Shop mit weltweitem Versand nicht unbedingt nachhaltig ist, auch wenn die Produkte Zero-Waste konform versandt werden. Ganz zu schweigen davon, dass damit Konsum gefördert wird, der, falls er vermeidbar wäre, ebenfalls nicht nachhaltig ist. Gerade wenn man noch funktionierende Artikel zuhause hat, ist es unnötig, sie wegzuwerfen und durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen. Das sollte angegangen werden, wenn sie tatsächlich kaputtgehen.
Jetzt sind Produkte wie festes Shampoo, Bambus-Zahnbürsten oder biologisch abbaubare Zahnseide ja noch sinnvoll. Aber 20 Dollar für ein 20er-Pack wiederverwendbare Make-Up Entferner Pads? Klar, ist eine nachhaltige Alternative zu Wattepads. Aber ein normaler Waschlappen tut es in dem Fall auch. Genauso wie sich hinterfragen lässt, ob Besteck aus Bambus, ein Stahl-Rasierhobel für 84 Dollar und ein Jade Roller gegen Rötungen und geschwollene Augen wirklich eine Anschaffung sind, die jetzt nötig ist. Die Produkte müssen auch erst produziert werden. Es geht hier nicht darum, Lauren Singer oder Leute, die ihre oder vergleichbare Produkte kaufen, zu haten. Es ist jedem selbst überlassen, was er/sie wie konsumieren möchte. Aber Zero-Waste auf diese Art und Weise als einfach darzustellen, ist unfair. Die genannten Produkte muss man sich erst mal leisten und die Zeit für eigene Kompostanlage, selbstgemachte Deos, Zahnpasta, Sonnencreme (wovon von vielen Mediziner*innen eh abgeraten wird, da einer Durchschnittsperson meist das nötige Fachwissen dazu fehlt!), Aufstriche etc. auch erst mal aufwenden können. Manche Leute haben diese Zeit oder das Geld dafür nicht. Und diese Leute werden u.U. massiv unter Druck gesetzt, denn der größte Umweltsünder im Freundeskreis ist vermutlich keiner gerne. Was noch dazu kommt: durch die mediale Präsenz dieser Zero-Waste Gurus, die meistens dann auf ihren eigenen Shop verweisen, anstatt auch einfach mal Tipps zu geben, wie man auf nachhaltig umstellen kann, ohne dafür neue Produkte für ein Heidengeld erwerben zu müssen, wird häufig einer der simpelsten Aspekte von Nachhaltigkeit missachtet: Minimalismus. Kleiner BUUH!-Tipp zwischendurch: ich finde die YouTuberin Shelbizleee ganz gut, weil sie viele verschiedene Möglichkeiten der Müllreduktion aufzeigt.
Jetzt muss natürlich nicht jede*r direkt alle seine Produkte reduzieren und sein Zimmer Marie Kondo Style ausmisten. Aber weniger ist im Sinne von Nachhaltigkeit einfach mehr. Und das geht dann auch nicht so auf den Geldbeutel. Wenn jetzt noch die Gesellschaft mehr daran setzt, die nachhaltigen Alternativen, die konsumiert werden müssen, nicht so zeitaufwändig zu machen, sondern z.B. auch einfach mal im Supermarkt die Verpackungen bei Obst und Gemüse verboten werden, Klopapier anders verpackt wird oder Hafermilch in der Glasflasche nicht nur im Unverpacktladen existiert, dann ist das schon ein großer Schritt in Richtung mehr Zero-Waste. Denn das mit geeigneten Möglichkeiten umzusetzen, ist dann tatsächlich nicht so schwer. Und auch jetzt schon ist es besser, unperfekt Zero-Waste anzustreben, als es aufgrund mancher Schwierigkeiten gar nicht erst zu versuchen. Es braucht nicht zehn Leute, die es perfekt machen, sondern tausende, die es unperfekt machen.
weitere Quellen / Referenzen:
https://utopia.de/ratgeber/zero-waste-leben-ohne-muell/