TW: Erwähnung von Suzid, Tod
Vergessen ist einfach. Der Einkaufszettel, der noch auf dem Küchentisch liegt, die Brille, die auf den Kopf geschoben wurde oder das Treffen mit Freunden, das schon vor drei Wochen beschlossen wurde. Wir kennen es alle. Gerade wenn es stressig wird und die Gedanken ganz woanders sind, schlägt die Vergesslichkeit zu. Doch was ist, wenn Vergesslichkeit zum Dauerzustand wird?
Dieser Text gibt im Rahmen unserer Thematik rund um mentale Gesundheit Auskunft über verschiedene Aspekte der Demenz- und Alzheimererkrankung. Was ist das überhaupt für eine Krankheit? Worin unterscheiden sich die verschiedenen Formen der Demenz? Solche Diagnosen sind auch oft verbunden mit akuten psychischen Auswirkungen. Betroffene und auch Angehörige werden mit neuen Ängsten konfrontiert, mit denen mensch umzugehen wissen möchte. Wie ist das als Betroffene:r und auch als Angehörige:r möglich? Wird mensch mit einer solchen Diagnose konfrontiert, umfassen diese Ängste oft auch ethische Fragen. Was kommt da auf eine:einen zu? Und wie reagiert mensch darauf?
Disclaimer: Selbstverständlich ist es nicht möglich, das Thema allumfassend in diesem Text wiederzugeben. Vielmehr soll er eine Hilfestellung und Übersicht über Demenz, Alzheimer und den Umgang damit bieten. Eine Erkrankung hat zumeist einen individuellen Verlauf und auch die Reaktionen darauf sind selten vergleichbar, die Lösungen nicht immer anwendbar, dennoch sind diese Informationen vielleicht ein erster Schritt, eine Orientierungshilfe oder ein Gedankenanstoß für die persönliche Zukunft.
(Demenz und Alzheimer sind Krankheiten, die jedem:jeder ein Begriff sind. Das Vergessen, das mit zunehmendem Alter immer schlimmer wird. Demenz und Alzheimer sind keine Seltenheit, eher im Gegenteil. Umso wichtiger, dass mensch sich damit auseinandersetzt, denn es kann jeden:jede treffen.)
Also, was ist Demenz bzw. Alzheimer?
Letztere Krankheit hat ihren Namen von dem Neurologen Alois Alzheimer, der diese hirnorganische Krankheit erstmals im wissenschaftlichen Kontext beschrieben hat. Durch den Abbau von Nervenzellen werden die Fähigkeiten der erkrankten Person immer weiter eingeschränkt. Vor allem im Alter steigt das Risiko immer weiter an, an Alzheimer zu erkranken. Erkrankungen vor dem 65. Lebensjahr und vererbtes Alzheimer hingegen sind sehr selten. Das Krankheitsbild umfasst Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit.
Die frontotemporale Demenz ist schwieriger zu diagnostizieren als Alzheimer. Dabei sterben vor allem die Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich ab, die im Gehirn für Emotionen und Sozialverhalten zuständig sind. Im Regelfall erkranken Personen zwischen 50 und 60 Jahren daran, allerdings gibt es auch Betroffene, die bereits in ihren Dreißigern erkranken. Aufgrund der Veränderung der Persönlichkeit zu Beginn der Krankheit, ist eine Diagnose oft schwierig, weil sich das Krankheitsbild mit psychischen Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie vergleichen lässt.
Insgesamt gibt es viele Formen von Demenzerkrankungen. Zu den häufigsten zählen vaskuläre Demenzen, die Lewy-Körperchen-Krankheit und die Demenz bei Morbus Parkinson. In diesen Fällen gibt es unterschiedliche Auslöser, vor allem im Gehirn, die eine Demenz beginnen lassen.
Über die Forschung
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft setzt sich für ein besseres Leben von Demenzerkrankte ein. In ihrer Satzung ist auch verankert, wie die Forschung für Betroffene gefördert wird. Um diesen Krankheiten auf den Grund zu gehen, wird in verschiedenen Bereichen geforscht, die von der Neurobiologie bis hin zu den Pflegewissenschaften reichen. Dabei werden auch unterschiedliche Ansätze verfolgt: In der Grundlagenforschung werden Wirkungsmechanismen der Krankheiten untersucht, während in der klinischen Forschung die Wirksamkeit von Therapie-Optionen im Vordergrund stehen. Außerdem wird in der Versorgungsforschung getestet, wie Lebensbedingungen von Erkrankten durch verschiedene Ansätze verbessert werden können, auch um Angehörige zu entlasten.
Auf dieser Seite (https://www.deutsche-alzheimer.de/demenz-wissen/forschung) ruft die Deutsche Alzheimer Gesellschaft zu aktuellen Forschungsstudien auf und informiert über die Arbeit verschiedener Forschungsverbünde, die sich auf Demenzen spezialisiert haben.
Über den Umgang mit der Diagnose
Angst ist oft schon vor der Diagnose eine ständige Begleiterin. Die Vergesslichkeit nimmt zu und auch die Probleme mit der Orientierung wachsen, trotzdem ist die Überwindung groß, einen Arzt:eine Ärztin aufzusuchen. Dabei ist eine gute Aufklärung im Umgang mit Demenz und Alzheimer wichtig. Trotzdem sind Ängste und Sorgen menschlich und deswegen auch irgendwie nachvollziehbar. Den meisten Menschen ist bewusst, dass sie unter möglichen Symptomen einer Demenzerkrankung leiden. Sie fürchten aber, dass sie nicht mehr so wahrgenommen werden wie zuvor. Dass sie ihre Selbstständigkeit verlieren und vielleicht auch den Respekt anderer. Dass sich ihr Leben grundlegend verändert und auch der damit verbundene Lebensstil. Diese und auch andere Ängste und Sorgen helfen der Person auch, die Symptome zu verdrängen und weiterhin keinen Arzt aufzusuchen.
Doch wie kann mensch diesen Befürchtungen entgegentreten?
Ängste werden geschürt durch das Bild der Erkrankungen in der Öffentlichkeit. Beispielsweise begegnet uns Alzheimer häufig im Alltag, in Dokumentationen und auch in Filmen, was ein bestimmtes Bild davon verstärkt. Demenzerkrankungen haben ein gewisses Stigma, das auch betont wird durch die Gleichsetzung verschiedener Begrifflichkeiten wie eben “Alzheimer” und “Demenz”. Hilfreich ist es deshalb oft, wenn sich Betroffene neben ihren Angehörigen eine außenstehende Meinung eines Arztes dazu holen. Für Angehörige selbst gibt es auch Beratungsstellen, die einem:einer nicht nur im Umgang damit weiterhelfen können, sondern auch in rechtlichen und technischen Fragen. Trotzdem muss die Diagnose und die Aufklärung als Prozess verstanden werden und nicht als “Friss-Oder-Stirb”-Situation, da sie allerlei Reaktionen hervorrufen kann. Schock, depressive Störungen oder Suizid. Es kommt dabei auch auf die Erkrankung und das Stadium der Erkrankung an, wie mensch am besten dabei vorgeht. Bedacht werden sollte allerdings, dass auch das Schweigen darüber schwerwiegende Folgen haben kann.
Das Schwierige der Akzeptanz ist, dass eine unheilbare Krankheit existentielle Krisen hervorrufen kann. Das Verleugnen bedeutet für Betroffene eben auch das Bewahren der Hoffnung auf ein gesundes und selbstständiges Leben. Selbst wenn Erkrankte ihre Diagnose akzeptieren, heißt das nicht, dass sie sich immer mit ihren Einschränkungen zufrieden geben. Je weiter eine Erkrankung fortschreitet, desto häufiger kann es passieren, dass Selbsteinschätzung und (Alltags-) Kompetenz immer stärker differieren. Um individuelle Lösungen zu finden für die persönliche Situation, empfiehlt es sich stets, eine außenstehende Person hinzu zu ziehen, die Unterstützung bieten kann.
Speziell für Angehörige von erkrankten Personen kann es problematisch sein, Verständnis aufzubringen, weil sie unter anderem die Gefühle und das Denken der Betroffenen nicht verstehen. Ist jemand an Demenz oder Alzheimer erkrankt, büßt er Teile seines Erinnerungs- und Denkvermögen ein, das Gefühlsleben bleibt jedoch erhalten. Reaktionen wie Trauer und Verlustangst werden dadurch stärker empfunden. Der Umgang damit wird schwerer, weil die Verarbeitungsmechanismen nicht mehr wie bei einer gesunden Person funktionieren. Sie vereinsamen innerlich, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben wie bisher gewohnt weiterzuführen, aber können dieses Problem auch nicht mehr adressieren.
Für Angehörige und betreuende Personen ist deshalb wichtig, zu erkennen, wie Denken und Fühlen zusammengehören und wie negative Gefühle vermieden werden können.
Gedanken und Hilfestellungen zu ethischen Fragen
Ist mensch mit der Diagnose konfrontiert, wiegt nicht nur der emotionale Umgang damit schwer. Fragen der Ethik kommen auf, auf die es eine Antwort zu finden gilt, sowohl für erkrankte Personen als auch für ihre Angehörigen.
Von Demenz und Alzheimer betroffene Menschen haben immer noch ein Recht auf Selbstbestimmung. Im weiteren Verlauf werden sie immer mit den Vorurteilen anderer konfrontiert, die sie vor Hürden stellen können. Auch wenn die Lebenskompetenz immer weiter nachlässt, ist es wichtig, einen Teil des selbstbestimmten Lebens aufrechtzuerhalten, sofern es möglich ist. Hilfreich dabei ist, sich stets nach dem Willen der Person zu erkunden, durch Befragung oder auch Beobachtung. Selbstverständlich verändert sich der Umgang je fortgeschrittener die Erkrankung ist. Mensch kann sich auch an äußeren Anhaltspunkten orientieren, wie frühere Aussagen oder politische und religiöse Überzeugungen. Danach ist es oft auch ein Abwägen anhand der Phase, in der sich eine betroffene Person befindet. Im frühen Stadium können Vorausverfügungen erstellt werden, die beispielsweise Finanzen betreffen.
Um Streitigkeiten unter Familien und Angehörigen zu vermeiden, empfiehlt es sich außenstehende Personen (des Rechtes) hinzu zu ziehen. In der mittleren Phase ist das dann nicht mehr möglich, aber Entscheidungen der Erlebnis- und Alltagsgestaltung können noch getroffenen werden, solange es sich um kurzfristige Absichten handelt, da Erkrankte meist keine langfristigen Einschätzungen ihrer Wahl mehr treffen können. Zu guter Letzt bleibt betreuenden Personen und Angehörigen in der späten Phase im Regelfall, den Willen durch ganzheitliche Wahrnehmung festzustellen, der die unmittelbare Lebensgestaltung beeinflusst. Für langfristige Entscheidungen gilt es nun, Betreuungspersonal und bevollmächtigte Personen einzusetzen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass jeder Mensch ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben in Würde führen möchte. Um auch Personen mit Demenz und Alzheimer das größte Maß an Selbstbestimmung zu erhalten, kann eine Patient:innenverfügung helfen. In dieser kann eine volljährige und einwillungsfähige Person für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegen, wie bei zukünftigen Untersuchungen ihres Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen vorgegangen werden soll. Häufig lassen sich Menschen negativ von ihrer Erkrankung beeinflussen, wenn sie ihre Verfügung festlegen wollen. Dabei sollte mensch bedenken, dass ein Leben mit der Erkrankung nicht zwangsläufig unerträglich sein muss, sondern immer noch ein erfülltes Leben möglich ist.. Auf jeden Fall ist juristischer Beistand zu empfehlen. Helfende Ratgeber dazu gibt es vom Bundesministerium für Justiz (www.bmj.de) oder beim Humanisten Verband Deutschland (www.standard-patientenverfügung.de).
Betroffene von Demenz und Alzheimer haben aufgrund ihrer Erkrankung möglicherweise ein größeres Risiko, sich und andere zu gefährden. Angehörige und betreuende Personen befinden sich dadurch im Zwiespalt, denn einerseits möchten sie Erkrankte nicht in ihrer Freiheit einschränken, und andererseits stehen sie in der Verantwortung, die erkrankte Person und ihr Umfeld zu schützen. Auf jeden Fall dürfen freiheitsentziehende Maßnahmen erst dann vollzogen werden, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind. Um eine Gefährdung ausschließen zu können, ist es hilfreich, nach der Ursache dafür zu suchen. Dazu gehört beispielsweise (innere) Unruhe, die eine Reaktion auf den Orientierungsverlust während der Krankheit ist. Betroffene laufen umher, um eine Lösung zu finden, sich Klarheit zu verschaffen und geraten dabei in Situationen, die sie oder andere gefährden. Um dem vorzubeugen, hilft ein Orientierungssystem, bestehend aus einer übersichtlichen Umgebung, festen Kontakten, strukturierten Tagen sowie Hinweis- und Erinnerungszetteln. Eine weitere Ursache kann auch Aggression gegenüber anderen sein, seien es körperliche oder auch verbale Angriffe. Diese entstehen aus einer gefühlten Bedrohung heraus, weil Erkrankte unter Umständen Situationen mit Angehörigen oder Pflegepersonal anders oder falsch einschätzen. Dagegen hilft nur, die Situation auf die Person abzustimmen und gegebenenfalls das eigene Verhalten zu reflektieren und anzupassen. Häufig werden erkrankte Personen in solchen Situationen unnötigerweise mit Medikamenten ruhiggestellt, wie die Deutsche Alzheimer Gesellschaft festgestellt hat. Brauchen Angehörige Hilfe, sinde diese Gesellschaften ein guter Anlaufpunkt, um sich Beistand und Rat einzuholen.
Das Abschiednehmen ist im Zusammenhang mit Demenz oder Alzheimer ein langer Prozess. Dieser Abschnitt jedoch befasst sich mit der tatsächlichen Sterbephase. Grundsätzlich gilt, dass jeder Mensch in Würde sterben darf. Dazu gehört auch, dass seine Lebensqualität und Linderung der körperlichen Beschwerden gewährleistet sind. Allgemein gibt es ein paar Empfehlungen für diese Phase. Am wichtigsten ist, das Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit zu erfüllen. Das kann auf verschiedene Art und Weisen erfüllt werden: Kommunikation auf verbalen und körperlichen Ebenen, Adressierung der Sinne durch Düfte, Musik oder Farben, Bezug zu Gewohntem und Wünschen wie religiösen Riten, Vorlieben und Erinnerungen, Beobachtung der Person, um auf Schmerzen und andere Beschwerden reagieren zu können, keine Ortswechsel mehr und vor allem Dasein, vor Ort sein, bei der Person sein. Bedeutend ist auch Loslassen zu können, auch wenn mensch dabei vor schwierige Entscheidungen und Abwägungen gestellt werden kann. Teil dieses Prozesses für Angehörige ist auch, nach dem Tod eine Trauerphase zuzulassen.
Erkrankte Personen zu betreuen und zu pflegen fordert alle Kräfte. Sie brauchen häufig 24 Stunden am Tag über mehrere Jahre Hilfe. Aufgrund dieser permanenten Belastung stellen betreuende Angehörige ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Daraus kann sich eine Überforderung entwickeln, die die Ursache für unerwünschte Reaktionen und Verhalten ist, was wiederum in Schuldgefühlen resultieren kann. Essentiell dabei ist, auf diese Gefühle einzugehen, bevor sie zu Schuldzuweisungen werden, die sich gegen die betroffene Person, die Einrichtung oder sich selbst richten. Lässt mensch sich auf diese Gefühle ein, kann mensch zwischen objektiver und subjektiver Schuld unterscheiden. Erstere findet sich in einem tatsächlichen Versäumnis wie beispielsweise Vernachlässigung, wohingegen zweitere im Empfinden der betreuenden und pflegenden Person liegt, was bedeutet, dass für Außenstehende kein ersichtlicher Grund vorliegt, aber die Person eventuell an ihren eigenen Ansprüchen scheitert. Angehörige und pflegende bzw. betreuende Personen sollten bedenken, dass die eigenen Bedürfnisse legitim sind und sie nur für Erkrankte sorgen können, wenn sie sich auch um sich selbst kümmeren.
In jedem Fall sollte die betreuende und pflegende Person sich Hilfe von außen suchen, um darüber zu sprechen. Dies kann ein Arzt:eine Ärztin sein, ein:e Seelsorger:in oder eine Person aus dem nahestehenden Umfeld.
Abschließend lässt sich sagen, dass es keine perfekte Lösung gibt für den Umgang mit Demenz oder Alzheimer, da jede Lebenssituation unterschiedlich und individuell ist. Dennoch gibt es viel Wissen, Aufklärung und Anlaufstellen, mit denen mensch für sich selbst oder für betroffene Angehörige Hilfe ermöglichen kann. Besonders wichtig ist die Auseinandersetzung mit der Thematik und das Anerkennen von Hilfe in allen emotionalen, rechtlichen und technischen Fragen.
Dieser Text ist hoffentlich ein erster Schritt zur Aufklärung und Entstigmatisierung von Krankheiten wie Demenz und Alzheimer.
Für direkte Hilfe:
Nummer des Alzheimer Telefons: 030 259 37 95 14
Hilfe und Beratung in der Nähe über die Website der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: https://www.deutsche-alzheimer.de/adressen
Innerhalb der Quellen sind stets weiterführende Literaturhinweise enthalten, die bei der Aufklärung und Hilfestellung unterstützen können.