Oftmals stelle ich mir selbst die Frage, auf welcher Art und Weise ich am politischen Geschehen partizipieren will. Inwiefern ich mich äußern will oder muss und welchen Weg ich dafür einschlagen sollte. Ob es etwas bringt, die Stimme zu erheben und beispielsweise auf Demonstrationen zu gehen. Ich rede natürlich nicht davon, dass ich bezweifle, ob ich meine Stimme bei einer Wahl abgebe. Das steht außer Frage. Das folgende Beispiel soll verdeutlichen, warum politischer Protest durch medialen und publikativen Druck zu maßgeblichen Veränderungen des Status Quo der Politik beitragen kann.
Im April 2021 kam es zu einer großen medialen Aufregung. Die KSK (Künstlersozialkasse) stand in starker Kritik. Grund dafür war, dass viele Künstler:innen ihren Versichertenstatus aufgrund von Nebenerwerbstätigkeiten verloren haben. Bedingt durch die Pandemie wurden viele Künstler:innen arbeitslos und es kam zu Verdienstausfällen. Dadurch waren viele Kunstschaffende dazu gezwungen, eine Nebenerwerbstätigkeit auszuüben, um den Erhalt von grundlegenden Gütern abzusichern.
Um von der KSK von der gesetzlichen Versicherungspflicht der Kranken- und Pflegeversicherung sowie von der Rentenversicherung befreit zu werden, ist ein jährliches Einkommen durch künstlerische Tätigkeiten von 3.900 Euro vorausgesetzt. Dass dies nicht ausreicht ist selbsterklärend, weshalb viele Künstler:innen einen Nebenjob auf 450-Euro-Basis beziehen. Jährlich entsteht so ein zusätzliches Gehalt von 5.400 Euro.
Auch ohne die Covid-19-Pandemie ist davon auszugehen, dass Kunstschaffende unter diesen Einkommensverhältnissen am Existenzminimum, das 2019 bei alleinstehenden Personen bei rund 1.179 Euro netto lag, kratzen. Da es Künstler:innen aufgrund der Restriktionen oftmals nicht möglich war, ein Einkommen durch künstlerische Tätigkeiten zu beziehen, sind sie darauf angewiesen, sich anderweitig zu finanzieren. Wenn Kunstschaffende unter die vorausgesetzten 3.900 Euro jährlich fielen, wurden sie von der KSK nicht mehr als Künstler:innen angesehen und es kam zum Rausschmiss. Wenn sie durch Nebenerwerbstätigkeiten mehr als 450 Euro im Monat verdienten, fielen die Zuschüsse für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie für die Rentenversicherung weg, ebenfalls unter dem Argument, dass die Haupteinnahmequelle nicht mehr das künstlerische Schaffen zu sein scheint. Viele Künstler:innen fielen so durch das Raster dieser Fördersysteme. Damit Kunstschaffende dieser Bredouille entgehen können, stellten viele Verbände, darunter die Allianz der Künste sowie der deutsche Kulturrat, eine Forderung auf.
Hubertus Heil, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, wurde aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass, zumindest für die Zeit der Pandemie, der Regelsatz des Nebenerwerbs von 5.400 Euro jährlich hochgesetzt wird. Dies sei erforderlich um selbstständige Küntler:innen davor zu schützen, in die sozialen Fangnetze des Staates zu fallen.
Am 12.05.2021 hat das Bundeskabinett den Gesetzesvorschlag von Hubertus Heil gebilligt, nach dem es Kunstschaffenden bis zum Ende 2021 nun zusteht, einen Nebenjob auszuüben, bei dem sie bis zu 1.300 Euro monatlich verdienen können, ohne die Unterstützung der KSK zu verlieren.
Der mediale Protest scheint Wirkung gezeigt zu haben und es ist nicht zu verkennen, dass die Medien ihrer Stellung als Vierte Gewalt des demokratischen Systems gerecht geworden sind.
Es gibt natürlich noch weitaus prominentere Beispiele, um aufzuzeigen, dass laut sein Wirkung hat: Die Wahlergebnisse der Grünen bei der Europawahl 2019 sind maßgeblich auf die Fridays for Future-Bewegung zurückzuführen. Das kollektive Demonstrieren und Thematisieren der Klimakrise hat nicht nur zu einem positiven Wahlergebnis der Grünen Partei beigetragen, sondern auch zu einer ansteigenden, zumindest unterbewussten Präsenz der Klimakrise in den Köpfen der Menschen.
Das Beispiel der KSK im Rahmen der
„Ohne KUNSt ists still“-Sonderausgabe ist nur eines von vielen Beispielen, die anzuführen sind, um zu untermauern, warum es wichtig ist, in prekären und ungerechten Situationen laut zu werden und die Politik zum Handeln zu animieren.
Ein weiteres Beispiel, um zu zeigen, dass medialer Protest wirksam ist.