Öffentlichkeit

Öffentlich sein oder nicht sein? 

Das ist hier die Frage

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Definitionen & Bedeutungen von Öffentlichkeit


Dunja | 07.10.21

Die Öffentlichkeit – allen ein Begriff, aber doch eine nicht ganz einfache Begrifflichkeit, da sie von persönlichen Faktoren wie dem sozialen Umfeld oder dem eigenen Wissenskanon abhängig ist und es seit jeher viele Bedeutungen gibt. Gefühlt sind wir ständig in diesem transparenten Konstrukt der Öffentlichkeit unterwegs und werden gleichzeitig mit dessen Bezeichnungen konfrontiert: Wir fahren zum Beispiel in öffentlichen Verkehrsmitteln, folgen Personen des öffentlichen Lebens auf Instagram, warten auf die Veröffentlichung von Filmen oder Büchern. 


Außerdem gibt es da noch den Fall, in dem Die Öffentlichkeit Menschen meint – und das sollen dann „wir“ sein? Die Menschen, die Gesellschaft, die Allgemeinheit. 

Um herauszufinden wer damit gemeint ist und ob nicht auch jemand dabei außen vorgelassen wird, habe ich mir Definitionen des Begriffes angeschaut:


Seinen Ursprung hat das Konstrukt der Öffentlichkeit in der griechischen Antike: Im Rahmen des Stadtstaates wurde in die Sphären der Polis und der Oikos unterschieden. Ersteres war der gemeinsame Bereich aller freien Bürger und letzteres war der private eines jeden einzelnen. (Die maskuline Form ergibt sich daher, dass unter „freien Bürgern“ Männer verstanden wurden, welchen sich Frauen, Kinder und Sklav*innen unterzuordnen und zu gehorchen hatten.) Räumlich gesehen war die Agora, der Marktplatz, der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens im Stadtstaat. Den Griechen der Antike war außerdem bereits bewusst, dass Öffentlichkeit durch Gespräche (lexis) und durch Tun (praxis) konstruiert werden kann.[1]

Während bereits im antiken Verständnis mehrere Facetten aufgezeigt werden, sieht es in zeitgemäßen Definitionen ähnlich aus: Die Bundeszentrale für politische Bildung zum Beispiel definiert allgemein und relativ einfache: „Öffentlichkeit bezeichnet jenen gesellschaftlichen Bereich, der über den privaten, persönlichen, relativ begrenzten Bereich hinausgeht, für die Allgemeinheit offen und zugänglich ist. Öffentlichkeit, und damit (z. B. durch Massenmedien hergestellte) Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten (z. B. auch politischen Entscheidungen), ist eine wichtige Voraussetzung der öffentlichen Kontrolle politischer Macht. Die Vorstellung, es gäbe lediglich eine einzige Öffentlichkeit, leitet zu falschen Rückschlüssen. Pluralistische Demokratien erzeugen eine Vielzahl von Teil-Öffentlichkeiten, wie sie z. B. in den Bezeichnungen parlamentarische Öffentlichkeit, Gewerkschafts-Öffentlichkeit oder Verbands-Öffentlichkeit etc. zum Ausdruck kommen.“

Von Wahlvorgängen selbst abgesehen ist die Politik vor allem eins: öffentlich.

Da Öffentlichkeit so vieles heißen kann, helfen oftmals Gegensatzpaare die unterschiedlichen Bedeutungen zu verdeutlichen: „öffentlich und privat“ kann hier als allgemeines Wortpaar für die beiden Sphären gesehen werden, während „öffentlicher Raum und Privatsphäre“ eine räumliche Trennung bezeichnen. Bei dem Gegensatz von „öffentlicher Meinung und nicht öffentlich/geheim“ geht es um Meinungsäußerung und -bekundung, welche sich auf zum Beispiel zwischenmenschliche Kommunikation bezieht, aber auch eben Sachen wie politischen Wahlen, welche geheim stattfinden, wir aber mit unserer Stimme unsere politische Ansicht zumindest ein Stück weit einbringen können.[2]


Von Wahlvorgängen selbst abgesehen ist die Politik vor allem eins: öffentlich. Dies beruht auf dem Grundsatz des Staates als „öffentliche Gewalt“, deren Aufgabe es ist für das öffentliche, allgemeine Wohl der Menschen in einem Rechtsstaat zu sorgen.[3] Daher kommt auch die Benutzung von „öffentlich“ als Synonym für „staatlich“, welche dazu dienen soll den Bürger*innen den Staat mehr als ein Gegenüber darzustellen, als ein System, welchem sie unterworfen sind. [4] Inwieweit das funktioniert, ist natürlich eine andere Frage.

 

Mit allen bereits genannten Punkten und darüber hinaus hat sich insbesondere ein gewisser deutscher Philosoph und Soziologe beschäftigt: Jürgen Habermas. Auch heute noch wird der Diskurs um die Öffentlichkeit stark von seinen Erkenntnissen und Werken, insbesondere seiner Habilitationsschrift „Strukturwandel und Öffentlichkeit“ (1961), geprägt. Also eine große Leseempfehlung, falls jemand noch mehr über das Thema lernen will.

Um noch einmal auf die Definition der BPB in einem bestimmten Punkt zurückzukommen: Dort ist von Teil-Öffentlichkeiten die Rede, welche nur für gewisse Menschen zugänglich sind. Nimmt mensch das oben genannte Beispiel der Verbands-Öffentlichkeit, wären z.B. eine Veranstaltung oder ein Bericht nur Vereinsmitgliedern zugänglich. Andere gesellschaftlichen Bereiche dagegen, welche grundsätzlich die Allgemeinheit (zum Beispiel alle in einem Land lebende Menschen) betreffen, sollten dementsprechend möglichst barrierefrei sein und eine allgemeine Teilhabe ermöglicht werden. Sei es die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit von öffentlichen Räumen oder die Möglichkeiten sich in einen politischen oder überhaupt öffentlichen Diskurs einzubringen – hier haben nicht alle die gleichen Möglichkeiten: Für sozial benachteiligte Menschen, Personen mit Behinderung oder mit fehlenden Sprachkenntnissen müssen bestehende Hürden abgebaut werden, um eine öffentliche Gleichberechtigung und gleichzeitig Gleichberechtigung in der Öffentlichkeit zu schaffen.


[1] Vgl, Habermas, 53.

[2] Vgl. Peters. Der Sinn von Öffentlichkeit, 55. 

[3] Vgl, Habermas, 52. 

[4] Vgl., Affolderbach, 108.

Quellen:

  • Affolderbach, F. (2018). Öffentlichkeit von Unten. Demokratie, Öffentlichkeit und Politische Bildung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Habermas, J. (1990). Strukturwandel der Öffentlichkeit: Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 
  • Peters, B. (2007). Der Sinn von Öffentlichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17947/oeffentlichkeit (letzter Zugriff: 04.10.21)
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