ein Zoom-Theaterstück von
Dunja-Maria Münch
Dieses Wochenende, am 7., 8. Und 9. Mai 2021 finden die Online-Aufführungen von “der Horatier” nach Heiner Müller auf Zoom statt. Auf Grundlage von Müllers Text wirft die Inszenierung Fragen nach Schuld, Strafe und Mittäterschaft auf. Eine Inszenierung ohne physischen Kontakt, mit Bildschirm statt Bühne und alles in den eigenen vier Wänden?
Die Regisseurin sowie einige Mitwirkende haben uns Rede und Antwort gestanden und beschäftigten sich mit den Zukunftsperspektiven von Zoom-Theater.
Es spielen: Florian Apold, Marie Fuchs, Felix Triedl, Isabella Lorenz, Dalila Toscanelli
Regie: Dunja-Maria Münch
Regieassistenz: Lilith Pape
Dramaturgie: Phil Wegerer
Bühnenbild, Konzeption, Technik: Sebastian Haendle und Klara Schur
Hallo liebe Dunja!
“Der Horatier” ist deine erste Regiearbeit überhaupt und damit auch auf Zoom. Warum dieses Stück?
Das Stück habe ich ausgewählt, da ich die Texte von Heiner Müller sehr schätze und thematisch etwas über (Un-)Schuld machen wollte. Dazu inspiriert haben mich die Bücher von Ferdinand von Schirach, insbesondere sein Theaterstück “Terror”.
Gibt es für dich bei dieser Thematik einen Bezug zur Gegenwart?
Überlegungen zu Schuld und Unschuld, Heldentum und Mittäterschaft sind heute noch genauso aktuell wie 1968, als Heiner Müller das Stück schrieb. Diese Themen sind präsenter in unseren Leben, als wir vielleicht glauben. Ob bei Gerichtsverhandlungen oder Terroranschlägen oder einfach im täglichen gesellschaftlichen Miteinander, wenn es um Ausgrenzungen und Inklusion und Diskriminierung jeglicher Art geht.
Du hattest das ja sicher nicht von vornherein als Online-Inszenierung gedacht. Wie hat Zoom deine Arbeit beeinflusst?
In der Online-Version meiner Inszenierung ist kaum mehr etwas meiner ursprünglichen Ideen enthalten. Meine ursprüngliche Vorstellung war eine Performance mit einem minimalistischen Bühnenbild, sehr viel chorischen Sprechens zu verschiedenen Rhythmen, welche von einem Instrument sowie den Performenden, z.B. durch Stampfen, selbst erzeugt werden sollte. Zoom schränkt da die Möglichkeiten bedeutend ein, und die einzelnen Internetverbindungen der Schauspielenden wirkt sich auch bedeutend auf das Zusammenspiel aus: Durch unterschiedlich lange Verzögerungen bei den einzelnen Mitwirkenden ist z.B. ein gleichzeitiges Sprechen nahezu unmöglich. Dafür haben wir aber letztendlich andere Lösungen gefunden.
von oben links: Felix Triedl, Florian Apold, Isabella Lorenz, Dalila Toscanelli, Marie Fuchs.
Wie hast du - und ihr alle - die Probenarbeit auf Zoom erlebt?
Dunja: Ein Vorteil, wie auch bei Online-Uni ist natürlich, dass wir gemeinsam von zuhause aus proben konnten, ohne das jemand lange Anfahrtswege auf sich nehmen musste. Was natürlich in der momentanen Situation umso besser ist, wenn mensch sich jeden zusätzlichen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln sparen kann. Der größte Nachteil an den Online-Proben ist die Entwicklung eines gemeinsamen Spielens. Das entsteht natürlich wesentlich langsamer, wenn jeder im eigenen Zimmer sitzt anstatt nebeneinander zu stehen. Auch besonders ist das sich alle Mitwirkenden mit den technischen Möglichkeiten auseinandersetzen müssen. Glücklicherweise bleibt das grundsätzliche Prinzip des Probenprozesses auch online enthalten: Das gemeinsame Entwicklen und Formen eines Kunstwerks, welchem dank aller Mitwirkenden immer wieder neue Perspektiven und Aspekte hinzugefügt werden können.
Marie Fuchs: Wenn man gemeinsam probt, ist das ein gemeinsamer Prozess. So eben nur auf Online-Ebene. Man kennt die anderen Leute nicht so richtig, das ist manchmal schwierig, wir haben uns teilweise nie in echt getroffen. Trotzdem bin ich sehr froh, dass wir es machen können.
Florian Apold: Das Arbeiten hat insgesamt ziemlich Spaß gemacht. Da das Stück, anders als zum Beispiel
Mia Filia, von Anfang an für Zoom konzipiert war, konnten wir uns darauf einstellen. Anstrengend ist, dass man die ohnehin hohe Bildschirmzeit noch weiter erhöht, und darunter leidet dann auch die Konzentration manchmal. Mir persönlich fehlt es, miteinander zu spielen, sich zu reiben, Feedback zu bekommen. Sowohl von den Mitspielenden, also auch vom Publikum. Du kannst ja die Personen nicht ansehen, mit denen du spielst.
Dalila Toscanelli:
Ja, der zwischenmenschliche Faktor fehlt. Zoom-Theater und Theater sind für mich unterschiedliche Genres, unterschiedliche Erfahrungen. Jedes mal nach den Proben denke ich, ich will ich es wirklich gerne einmal auf der Bühne probieren. Es wäre auf der Bühne eine ganz andere Inszenierung. Mich würde sehr interessieren, wie man das dann umsetzen würde.
Florian:
Ich finde es auch nicht so gut, daheim zu sein, ich mag es von Zuhause wegzugehen. Zum Hobby, in die Uni, zum Sport. In meinem Raum, in meinem Zimmer zu spielen - da reinzukommen ist nicht so leicht.
An vielen Theatern wird weiter geprobt - ohne Aufführungen, die werden dann auf zunächst unbestimmte Zeit verschoben. Lieber eine Aufführung auf Zoom?
Dalila: Ich glaube, wir haben uns genau die richtige Zeit gelassen für das Stück, wir haben es nicht zu spät aufgeführt und nicht zu früh. Dass es einen Termin für die Premiere gab, hat uns allen sehr geholfen. Es gab einen Zeitpunkt, da habe ich gemerkt: Jetzt arbeiten wir. Das war vor ca. 1,5 Monaten. Ab da ging alles viel schneller voran.
Ich habe gerade eine Regiehospitanz in den Münchener Kammerspielen gemacht, da gab es nur eine Generalprobe und keine Aufführung. Die Premiere fehlt einfach. Das Gefühl der Vorfreude entsteht nicht, man probt ins Leere und es geht gefühlt nie so richtig los.
Das ist ja aber nicht immer so - viele Theater entscheiden sich in diesen Zeiten für Livestreams. Wieso habt ihr das nicht auch gemacht?
Dunja:
Aufführungen über Zoom waren für uns als Studierende wesentlich leichter zu organisieren als ein Stream, da es nicht so viel technische Kenntnisse erfordert. Die Benutzung von Zoom ist dank der Online-Lehre für uns ja leider zum Alltag geworden, weshalb wir uns aber mittlerweile gut damit auskennen.
Ein weiterer Vorteil von Zoom: Es gibt ein bisschen mehr das Gefühl der gleichzeitigen Anwesenheit des Publikums und der Schauspieler*innen als in einem Stream. Immerhin sind alle gemeinsam in einem digitalen Meeting-Raum und man kann sogar die Liste der Teilnehmenden einsehen und weiß wie viele Zuschauer*innen anwesend sind. Theoretisch könnte man sogar einzelne Zuschauer sehen, wenn diese ihre Kamera eingeschaltet haben, was nur während des Stückes nicht sinnvoll ist. Dadurch, dass es über Zoom live gespielt wird, wird auch die Konzentration der Zuschauer*innen länger gehalten. Ich kenne das selber von mir, beim Anschauen von Inszenierungsaufnahmen im Stream geht meine Konzentration schnell mal flöten, mensch holt sich Essen, beschäftigt sich nebenbei mit anderen Sachen und bricht letztendlich den Stream nach der Hälfte ab, da die Wirkung, welche das Stück auf einer großen Bühne gehabt hätte, digital nicht vermittelt werden kann.
Findet ihr, dass Zoom dem Stream gegenüber Vorteile birgt?
Florian: Im Theater ist der Blick der Zuschauenden völlig losgelöst, man kann ihn nicht steuern. Hier sehen sie nur das, was sie sehen sollen, durch die Kameras und Perspektiven, die filmischen Elemente kann man den gewissermaßen lenken. Das ist spannend. Man kann zum Beispiel mit verschiedenen Kamera-Winkeln arbeiten, das ist super ausbaufähig, wenn man das mit professionell mit der Technik macht.
Ich finde diesbezüglich gut, was Dalila gesagt hat, dass es ein anderes Genre ist, aber es ist doch noch Theater, es hat Live-Charakter. Das ist bei Streams weniger gegeben, gerade, wenn sie aufgezeichnet sind.
Das steht ja gegen die Vorstellung, das wäre dann praktisch wie ein Film.
Dunja: Da live gespielt und nicht aufgenommen wird, hat es für mich nicht viel mit Film zu tun. Natürlich ist es nicht das Theater, was wir kennen und was vielen Menschen momentan so fehlt, aber meiner Meinung nach ist digitales Theater über Zoom einfach ein neues Format und ungewohnt. Aber wie sagt man so schön: Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.
Florian:
In der Theaterwissenschaft gibt es viele Vorurteile diesem Format gegenüber. Wissenschaftler*innen wie Erika Fischer-Lichte haben das bis vor einigen Jahren stark abgelehnt. Heute ist das eine andere Situation, wir sind darauf angewiesen.
Dunja: Der Ruf von digitalen Theaterformen im Allgemeinen, nicht nur aus theaterwissenschaftlicher Sicht, sondern auch aus der Sicht von Theatermacher*innen und Konsumierenden, ist nicht der Beste. Was durchaus verständlich ist. Denn eine Interaktion zwischen Publikum und Darsteller*innen sowie das Gefühl eines gemeinsames Erlebens, kommt in vielen Fällen nicht auf. Ich glaube tatsächlich, dass bei vielen Künstler*innen auch die Hoffnung auf die Öffnung der Theater ein Grund ist, sich nicht zu sehr mit digitalen Formaten zu beschäftigen. Wobei es mittlerweile immer mehr Versuche und Angebote gibt, ob von Stadt- und Staatstheatern als auch in der freien Szene, welche Plattformen wie z.B. Zoom nutzen, was mich sehr freut.
Wichtig ist der Mut, sich auf diese neuen Theaterformen einzulassen und vielleicht im Nachhinein festzustellen, dass diese sogar neue Aspekte bieten, welche das Theater sonst nicht bereithält.
Wie seht ihr die Zukunft von Zoom-Theater?
Dunja: Ich denke es ist realistisch, solche digitalen Formate wie Zoom-Theater zumindest in in naher Zukunft weiterzuführen, auch wenn die Theater schon wieder öffnen können, da die Karten pro Vorstellung noch sehr begrenzt sein werden und so noch mehr Menschen auch in Pandemiezeiten und generell der Zugang zum Theater ermöglicht werden kann. Ein großer Vorteil für das Publikum ist auf jeden Fall die Möglichkeit das Stück von verschiedensten Orten aus zusammen anschauen zu können. Künstlerisch hat man die Chance die sehr andere Wirkungsweise auszuprobieren und damit zu spielen.
Sebastian Haendle:
Zoom bietet unglaublich viele Tools, um das Theater zu erweitern. Es gibt eine neue Art der Interaktion. Im Theater sitzt man selten so nah vor dem Gesicht der Schauspieler*innen. Es ist auch viel zugänglicher. Man braucht nur ein Gerät und Internetverbindung. Man muss keine Karten kaufen, man kann sich spontan hinzuschalten. Zoom ist nicht unbedingt perfekt, aber wenn sich die Software verbessert, dann haben wir noch mehr Möglichkeiten.
Dalila:
Ich glaube, wir sind noch am Anfang von diesem Medium. Man sagt, wir nutzen nur 10% von unserem Gehirn, hier ist es ähnlich. Wir müssen das entdecken und erforschen, mit den neuen Möglichkeiten herumprobieren. Verglichen mit Mia Filia haben wir seitdem neue Tools entdeckt, gleichzeitig bei den beiden Stücken Zoom aber auch unterschiedlich genutzt. Man muss sich den neuen Möglichkeiten widmen und wir sind noch dabei.
Florian:
Für mich ist das Stichwort hier die Zielgruppenerweiterung. Das ist ja ein Riesenthema im Theater: Welche Leute sehen Theater und wie oft? Im Endeffekt bleiben es doch immer die Gleichen. Ist politisches Theater noch politisch, wenn es immer nur dieselben Leute sehen, die immer nur in ihrer Meinung bestätigt werden? Auf diese Weise könnte man auch Leute erreichen, die wir sonst nicht erreichen, zum Beispiel auch durch kurze Formate, für die einem auch Social Media Plattformen zugute kommen.
Dalila: Manche Theater streamen die ganzen Zeit, bei Zoom hat man die Interaktivität, diese Sache geht beim Streamen komplett verloren. Zwischenmenschliche Beziehungen und interaktivität sind das, was Theater ausmachen.
Und hier hat Zoom definitiv ein großes Plus.